Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
Gesichtsfeld. Eine rechteckige Sektion darin flammte rot auf und legte sich um Ian O’Flaherty, paßte sich seinen Bewegungen an wie ein elastisches Drahtgitter.
»Nicht!« rief Erick Thakrar warnend.
Ian O’Flaherty hatte die Klinge bereits hoch über den Kopf gerissen, als Ericks Ruf erklang. In seinem von nacktem Haß benebelten Zustand hätte er wahrscheinlich nicht einmal dann reagiert, wenn er etwas gehört hätte. Erick sah, wie sich die Muskeln in O’Flahertys Unterarm zu kontrahieren begannen und das Messer zitterte, als die Abwärtsbewegung einsetzte.
Die neurale Nanonik Ericks meldete, daß selbst die aufgerüstete Muskulatur nicht ausreichte, um O’Flaherty noch rechtzeitig zu erreichen.
Erick traf seine Entscheidung. Ein kleines Stückchen Haut über dem zweiten Knöchel der linken Hand verschwand, und das Implantat spuckte einen Pfeil mit einem nanonischen Schaltkreis aus, kaum größer als ein Bienenstachel. Er traf die nackte Haut an O’Flahertys Hals und drang sechs Millimeter tief in das Gewebe ein. Die Fissionsklinge hatte sich unterdessen zwanzig Zentimeter in Richtung von Lafoes breitem Rücken gesenkt. In diesem Augenblick spürte der nanonische Pfeil, daß er in menschliches Gewebe eingedrungen und sein Momentum aufgebraucht war. Er entlud eine ganze Schar winziger Filamente, die sich unverzüglich auf eine vorprogrammierte Suche nach Nervenenden machten und dabei zwischen den dicht gepackten Körperzellen hindurchwanden. Die Ganglien wurden lokalisiert, und die Filamente bahnten sich mit Hilfe harter Spitzen ihren Weg durch die hauchdünnen Membranen, die individuelle Nerven einhüllten. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klinge weitere vier Zentimeter zurückgelegt. Ian O’Flahertys linkes Augenlid zuckte einmal unkontrolliert, als sein Gehirn den schwachen Stich registrierte, den das Eindringen des winzigen Pfeils verursacht hatte. Der interne Prozessor des Pfeils analysierte die chemischen und elektrischen Reaktionen entlang der Nervenbahnen und machte sich daran, die Signale zum Gehirn mit einem eigenen Muster zu überlagern. O’Flahertys neurale Nanonik entdeckte das Signal augenblicklich, doch sie war nicht imstande, etwas dagegen zu unternehmen. Sie konnte lediglich natürliche Impulse überlagern, die ihren Ursprung im Gehirn des Trägers selbst hatten.
Ian O’Flaherty hatte die Klinge achtunddreißig Zentimeter in Richtung von Lafoes Rücken gestoßen, als er mit einemmal spürte, wie Millionen feuriger Rinnsale im Innern seines Körpers gleichzeitig entflammten. Die Klinge senkte sich noch weitere fünf Zentimeter, bevor seine Muskeln von der Sintflut von belagernden Impulsen überrannt wurden. Seine Nervenzellen brannten aus, überladen von dem diabolischen Signal des nanonischen Pfeils, und befahlen die massive Freisetzung von Energie entlang jedem einzelnen Strang, eine simultane chemische Detonation im Innern jeder neuronalen Zelle.
Der Atem entwich rasselnd aus O’Flahertys weit aufgerissenem Mund, entgeisterte Augen blickten gehetzt durch den Raum in einem allerletzten Flehen um Hilfe. Seine Haut färbte sich rot wie von einem plötzlichen Sonnenbrand. Sämtliche Kraft wich aus seinen Muskeln, und er brach wie vom Blitz gefällt zusammen und stürzte zu Boden. Die Fissionsklinge polterte davon und fetzte Stein aus dem Boden, wo auch immer sie auftraf.
Plötzlich herrschte Totenstille. Niemand kämpfte mehr.
Desmond Lafoe starrte Erick aus verwirrten, schmerzerfüllten Augen an. »Was …?«
»Er hätte dich umgebracht«, sagte Erick mit leiser Stimme und senkte den linken Arm. Jeder in der Bar schien auf seine Hand zu starren.
»Was hast du mit ihm gemacht?« fragte Harry Levine voller Entsetzen.
Erick zuckte die Schultern.
»Vergiß es«, ächzte André Duchamp. Blut rann aus seinem linken Nasenloch, und ein Auge schwoll rasch zu. »Los, kommt.«
»Ihr könnt nicht einfach so verschwinden!« rief Hasan Rawand. »Ihr habt ihn umgebracht!«
André Duchamp half Bev Lennon beim Aufstehen. »Es war Selbstverteidigung. Reine Notwehr. Dieser Anglo- Bastard hat versucht, einen Mann aus meiner Besatzung umzubringen!«
»Das ist richtig«, polterte Desmond Lafoe. »Es war versuchter Mord.« Er gab Erick einen Wink in Richtung des Ausgangs.
»Ich rufe die Polizei!« sagte Hasan Rawand.
»Ja, tu das. Das ist genau dein Niveau, Anglo, nicht wahr?« schnarrte Duchamp. »Sobald du verlierst, jammerst du herum und rufst die Polizei.« Er fixierte den schreckensstarren
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