Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
per Datavis den Aktivierungskode in den Steuerungsprozessor des Raumanzugs.
Der SII-Raumanzug war bereits vor Joshuas Geburt Industriestandard der Astronauten gewesen. Er war eine Entwicklung der einzigen echten kommunistischen Gesellschaft innerhalb der Konföderation und wurde in den Fabriken auf dem Mond hergestellt. So gut wie jedes industrialisierte Sternensystem hatte den Raumanzug lizensiert. Er bot vollkommene Isolation der Haut gegen Vakuum, gestattete Transpiration und schützte seinen Träger vor nicht allzu hoher radioaktiver Strahlung. Und er gestattete völlige Bewegungsfreiheit.
Die Kugel veränderte ihre Gestalt. Sie verwandelte sich in eine Art Öl und floß über Joshua. Die Flüssigkeit haftete an seiner Haut wie ein klebriger Gummihandschuh. Er schloß die Augen, als sie über seinen Kopf glitt. Optische Sensoren, die rings in den Kragen eingelassen waren, übertrugen ein datavisualisiertes Bild direkt in seine neurale Nanonik.
Die Armierung über Joshuas neuer, glänzend schwarzer Haut bestand aus einem matten monogebundenen Kohlenstoff-Exoskelett mit eingebautem Manövrierpack, das praktisch jeden kinetischen Aufprall abhielt, den es im Ruinenring geben konnte. Der SII-Anzug würde dicht bleiben, ganz gleich, was Joshua traf – allerdings würde er jegliche physische Erschütterung übertragen. Joshua ging die Checklisten für Raumanzug und Panzerung durch, während er gleichzeitig Werkzeuge an seinem Gürtel befestigte. Beides arbeitete fehlerfrei.
Als er in den Ruinenring hinausglitt, gab er als erstes per Datavis einen kodierten Verriegelungsbefehl an die äußere Schleusentür. Die Luftschleusenkammer war nicht gegen Partikelbombardement geschützt, und in ihrem Innern befanden sich einige empfindliche Systeme. Die Chance war zwar tausend zu eins, doch jedes Jahr verschwanden fünf oder sechs Schatzsucher im Ring. Joshua kannte ein paar Jungs, selbst Raumschiffsbesatzungen, die nachlässig geworden waren und über die Sicherheitsvorschriften der Konföderierten Raumaufsichtsbehörde stöhnten. Alles Verlierer, Versager mit einem tief gehegten Todeswunsch.
Um den Rest seines Raumflugzeugs mußte er sich keine Gedanken machen. Mit eingezogenen Atmosphärenflügeln sah es wie eine schlanke, fünfzehn Meter lange Nadel aus. Die Konstruktion war so ausgelegt, daß sie im Hangar eines Raumschiffs so wenig Platz wie möglich beanspruchte. Der Rumpf aus Carbotanium war widerstandsfähig, doch für die Arbeit im Ruinenring hatte Joshua sie zusätzlich mit einer dicken Schicht cremefarbenen Schaums überzogen. Mehrere Dutzend langer Furchen darin sowie einige schwarze Krater zeugten davon, daß diese Arbeit keineswegs umsonst gewesen war.
Joshua orientierte sich in Richtung des Habitat-Segments und feuerte die Gasjets seines Manövrierpacks. Hinter ihm blieb das Raumflugzeug zurück. Die schlanke Form schien hier draußen im freien Raum völlig unpassend, doch es war das einzige Fahrzeug, das ihm zur Verfügung gestanden hatte. Sieben zusätzliche Tanks für Reaktionsmasse und fünf Hochleistungs-Elektronenmatrixzellen waren rings um das Heck der Orbitalfähre angebracht, ebenfalls in Schaum gehüllt, und das verlieh ihnen das Aussehen bizarrer Krebsgeschwülste.
Die Trümmer des Ruinenrings trieben träge rings um Joshua wie ein Schneesturm in Zeitlupe. Durchschnittlich nicht mehr als zwei oder drei Partikel pro Kubikmeter, größtenteils Erdboden oder Polypmaterial; brüchig gewordene, steinhart gefrorene Stücke. Sie streiften Joshuas Armierung, und manche prallten ab, andere zerbrachen.
Es gab auch andere Objekte, zerfetzte, verdrehte Stücke aus Metall, Eiskristalle, glatte, rundgeschliffene Kiesel, Kabelstücke, teils biegsam, teils starr. Nichts von allem besaß irgendeine Farbe: der Stern der Kategorie F3 befand sich eins Komma sieben Milliarden Kilometer entfernt, viel zu weit, um selbst unter der Verstärkung der Sensoren irgend etwas anderes als fahles monochromatisches Licht zu produzieren. Mirchusko war gerade eben sichtbar, eine bleiche, schwach leuchtende grüne Masse, von einem Staubschleier verdeckt wie eine untergehende Sonne von einem Wolkenband.
Wann immer Joshua nach draußen ging, es war stets die absolute Stille, die an seinen Nerven zerrte. In seinem Raumflugzeug herrschte niemals Stille; das Surren und Zischen der Lebenserhaltungssysteme, plötzliches Knacken von den Schubdüsenringen, wenn sie kontrahierten oder expandierten, das Gurgeln der improvisierten
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