Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
wenigen beweglichen Teilen, billig zu unterhalten und kaum störungsanfällig. Schatzsucher benötigten nicht mehr; die geringen Geschwindigkeiten, die sich auf diese Weise erzielen ließen, reichten vollkommen aus, um zwischen Tranquility und dem Ruinenring hin und her zu reisen. Joshua hatte noch nie von jemandem gehört, der einen Fusionsantrieb eingesetzt hätte.
Er schob sich Hand über Hand an den Kardanaufhängungen vorbei, vorsichtig, um nicht mit den Füßen irgendwo anzustoßen. Die Energiezuleitungen waren leicht zu finden: Supraleiterkabel, die so dick waren wie Joshuas Arm. Er fischte sein Fissionsmesser aus dem Gürtel. Die Zehn-Zentimeter-Klinge leuchtete in einem spektralen Gelb, auffällig hell in der schattigen Aufhängung des Raketenmotors. Joshua machte kurzen Prozeß mit den Leitungen.
Ein weiteres rasches Hangeln brachte ihn zu den ausladenden Tanks. Sie waren von einer Schicht aus Nulltherm-Isolation umhüllt. Er ließ sich am unteren Ende eines Tanks nieder und entfernte einen Teil der Isolierung. Der Tank selbst bestand aus einem stumpf silbernen Material und ging scheinbar nahtlos in das Gehäuse der Turbopumpe am Auslaß über. Joshua rammte seinen Thermalinduktor in eine Stützstrebe, verschmierte ein wenig Epoxyharz über die Stelle, um sicherzugehen, daß das Gerät nicht abrutschen konnte, und erteilte dem Prozessor dann per Datavis eine Reihe von Instruktionen.
Zehn Minuten später aktivierte der Prozessor das thermische Induktionsfeld. Joshua hatte den Induktor so eingestellt, daß er ein eng gebündeltes Feld produzierte, zehn Zentimeter im Durchmesser, drei Meter lang. Drei Viertel des Feldes befanden sich im Innern des Tanks, wo es den flüssigen Kohlenwasserstoff in Dampf verwandelte. Die Flüssigkeit geriet in rasende Bewegung und führte weiteren Kohlenwasserstoff in das Feld. Der Druck stieg rasch an und befand sich schnell auf gefährlich hohem Niveau.
Das Metall der Tankhülle reagierte nicht ganz so bereitwillig auf das Feld. Seine Molekularstruktur hielt die Kohäsion für fast zwanzig Sekunden aufrecht, bevor die schiere Menge an Hitze, die auf einer so kleinen Fläche konzentriert wurde, die Valenzbindungen reißen ließ. Das Metall wurde formbar und wölbte sich nach außen, getrieben von dem unwiderstehlichen Druck, der sich im Innern des Tanks aufgebaut hatte.
In der beengten Kabine der Madeeir riß Sam Neeves erschrocken die Augen auf, als ein Datavis-Alarm in seinem Gehirn schrillte. Vor seinem geistigen Auge entfalteten sich komplizierte Schiffsdiagramme; die Treibstoffsektion leuchtete in grellem Rot. Notfallprogramme schickten einen Strom von Binärimpulsen in den Antrieb, doch keiner davon konnte an dem steigenden Druck etwas ändern.
Es gab zufällige Fehlfunktionen, wie Sam wußte, doch das hier war etwas anderes. Der Tank wurde von gewaltigen Energiemengen überschwemmt. Die Probleme kamen von außen. Sie waren absichtlich herbeigeführt.
»Joshua!« brüllte Neeves in hilfloser Wut.
Nach fünfundzwanzig Sekunden auf maximaler Leistungsstufe war die Elektronenmatrix des Thermalinduktors erschöpft. Das Feld schaltete sich ab. Doch der Schaden war angerichtet.
Die Protuberanz, die sich aus der Tankwandung gewölbt hatte, leuchtete in strahlendem Korallenrosa. Der Apex platzte auf. Eine Fontäne aus kochendem Gas strömte hervor und über die Antriebssektion. Thermische Isolationsschichten wurden abgerissen und wirbelten davon, Kompositstrukturen und empfindliche elektronische Bauteile schmolzen und sandten eine Gischt von funkensprühenden Tropfen durch die Gegend. Die Madeeir torkelte vorwärts, während sie sich vom raketenartigen Rückstoß der entweichenden Gase getrieben langsam um die eigene Achse drehte.
»Verdammte Scheiße!« giftete Sam Neeves. »Octal! Octal, um Himmels willen, komm sofort zurück!«
»Was ist denn los?«
»Es ist Joshua! Er hat uns reingelegt! Komm zurück! Ich kann das Schiff nicht mehr stabilisieren, die Reaktionskontrolle arbeitet nicht!«
Noch während er mit Octal redete, zeigten die Leitdaten, die in sein Bewußtsein strömten, daß die Korrekturtriebwerke die Schlacht verlieren würden, das Schiff in einer stabilen Lage zu halten. Er versuchte den Hauptantrieb einzuschalten, die einzigen Maschinen mit genügend Schub, um den Impuls aus dem lecken Treibstofftank zu kompensieren. Vergeblich. Der Motor reagierte nicht.
Ein Monitorprogramm seiner neuralen Nanonik übersteuerte seinen Schrittmacher und beruhigte
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