Armageddon 04 - Der Neutronium-Alchimist
und keine Alarmsysteme mehr versteckt waren, drehte er sich mühsam um, bis er dem Rumpf das Gesicht zuwandte, und kroch rückwärts aus dem Wartungsschacht.
Normalerweise wurden die Rumpfplatten eines Raumschiffs nur von außen abgenommen, wo die Nähte und Bolzen leicht zugänglich waren. Was jetzt kam, war weitaus schwieriger. Die umständliche Prozedur lief durch Ericks neurale Nanonik; eine Operation, die offensichtlich von Komitees aus Anwälten und Beamten ohne jegliche Ahnung von Raumfahrt während einer Kaffeepause entwickelt worden war. Erick verspürte nicht wenig Lust, einfach eine Fissionsklinge in das Silizium zu stoßen und einen weiten Kreis um die Bombe herum auszuschneiden. Statt dessen jedoch befahl er dem Bordrechner per Datavis, den Molekularbindungsgenerator für diese Sektion zu deaktivieren. Dann setzte er den Anti-Drehmoment-Schraubenzieher auf den ersten Bolzen. Vielleicht war es nur Einbildung, doch er hatte das Gefühl, als reagierte sein neuer Arm aus künstlichem Gewebe langsamer als der alte. Die Nährstoffreserven waren fast erschöpft, doch Ericks Gedanken waren zu beschäftigt, um darauf zu achten.
Wenige Minuten später war die Platte bereit. Der kleine Wartungsschacht war übersät von Nieten, Bolzen, Siliziumspänen und mehreren Werkzeugköpfen, die Erick verloren hatte. Seine Anzugsensoren hatten Mühe, durch all den Abfall hindurch ein vernünftiges Bild der Umgebung zu erzeugen. Er schob das letzte Werkzeug in die entsprechenden Halterungen zurück und kroch noch weiter aus dem Schacht heraus, wobei er mit den Zehenspitzen nach einem Halt suchte, an dem er sich verankern konnte. Als er endlich in Position war, drückte sein Rücken gegen die Platte. Er strengte sich an, und seine Beinmuskeln zitterten. Physiologische Monitorprogramme signalisierten fast augenblicklich Warnungen. Erick ignorierte die Meldungen. Er mußte ein Tranquilizerprogramm starten, um die Sorge wegen der Verletzungen zu dämpfen, die er sich schon wieder zufügte.
Die Platte bewegte sich. Ericks neurale Nanonik zeichnete eine winzige Lageveränderung auf. Dann nahm die Bewegung zu, bis in den Millimeterbereich. Als sie fünf Zentimeter weit gewandert war, stellte er seine Bemühungen ein. Die Trägheit würde den Rest besorgen. In seinem Rücken wüteten Krämpfe.
Eine weiße Sichel aus Silberblau schien in den Wartungsschacht, als Erick sich durch den Kriechgang zurückschob. Eine Ecke der Platte war lose und schob sich immer weiter aus ihrer Halterung. Die Sensoren von Ericks Anzug dämpften rasch ihre Empfindlichkeit, als die umherschwebenden Nieten in einen gleißenden Lichtschein getaucht wurden.
Die Platte glitt schwerfällig nach oben. Erick überprüfte ein letztes Mal die Ecken, um sich zu überzeugen, daß sie alle frei waren, dann meldete er per Datavis: »In Ordnung, Captain. Die Platte ist lose. Starte die Korrekturtriebwerke, damit wir uns lösen können.«
Er konnte die winzigen lautlosen Eruptionen von chemischem Gas beobachten, leuchtende gelbe Springbrunnen. Die Rumpfplatte schien sich mit einemmal schneller zu bewegen und entfernte sich vom Wartungsschacht.
Dann war Kursk in seiner vollen Größe sichtbar. Die Villeneuve’s Revenge befand sich in einem niedrigen Orbit und badete in dem sanften Licht, das von den wolkenbedeckten Ozeanen reflektiert wurde.
Es war die zweite Eroberung von Capones Organisation; eine Koloniewelt der Stufe drei, sechs Lichtjahre von Arnstadt entfernt. Kursk besaß eine Bevölkerung von wenig mehr als fünfzig Millionen und stand im Begriff, von der rein landwirtschaftlich orientierten Phase in die Phase der Industrialisierung zu wechseln. Folglich war Kursk eine leichte Beute. Noch ohne strategisches Verteidigungsnetzwerk, aber dafür mit einer akzeptablen Bevölkerungsmenge und wertvollen modernen Industriestationen. Das Geschwader von fünfundzwanzig Schiffen, das Luigi Baismao zur Unterwerfung des Planeten ausgesandt hatte, traf auf so gut wie keine Gegenwehr. Man hatte fünf unabhängige Händler im Orbit um die einzige Asteroidensiedlung des Systems mit Kombatwespen bewaffnet, doch die Waffen waren drittklassig, und die Kommandanten der Schiffe waren alles andere als begeistert über die Aussicht, nach draußen zu fliegen und im Feuer der weit überlegenen Organisationsflotte zu sterben.
Acht Stunden nach ihrem Eintreffen über Arnstadt war die Villeneuve’s Revenge zusammen mit den restlichen Geleitschutzschiffen dem neuen
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