Armageddon 05 - Die Besessenen
daran lag, daß sie soviel Geld in diesem Laden lassen würde. Die meisten jungen Gentlemen (und auch andere, bereits ein wenig ältere) auf Norfolk hatten im Verlauf der letzten ein, zwei Jahre ihr gegenüber ein ähnliches, wenn auch weniger offensichtliches Verhalten an den Tag gelegt. Jetzt allerdings trug sie wenig mehr als das Kostüm einer Exhibitionistin auf dem Leib. Obwohl es nach irdischen Maßstäben zahm war, sah sie in den Spiegeln des Ladens einfach umwerfend aus. Sie konnte sich tatsächlich mit jedem Londoner Mädchen messen. Zum ersten Mal in ihrem Leben war Louise richtig schick. Und frei genug, um es zu genießen. Sie liebte jede Sekunde.
Die Glastür schloß sich mit einem endgültigen Klick, und Louise musterte Andy mit einem mißtrauischen Blick.
»Verdammt!« murmelte Westeuropa, als seine Verbindungen zu Louise unterbrochen wurden. Er schaltete zu Genevieve, doch das war ohne jeden praktischen Nutzen; das junge Mädchen befand sich in einer gotischen Phantasiewelt und stand in einem Burghof, während eine Reihe von Priesterkriegerinnen auf ihren Einhörnern in die Schlacht ritt.
Westeuropa hatte einkalkuliert, daß Louise irgendwann die Wanzen an ihrem Körper entdecken würde. Er hatte nur nicht geplant, daß es so früh im Verlauf der Operation geschah. Andererseits hatte wirklich niemand damit rechnen können, daß ein Mädchen von Norfolk in einen Elektronikladen stiefeln und eine neurale Nanonik kaufen würde. Louise Kavanagh war eine durch und durch bemerkenswerte Frau, soviel stand fest.
Andy Behoo kratzte sich verlegen am Arm. »Sie wissen, daß Sie gestochen wurden, oder nicht?«
»Gestochen?« Louise konnte nur raten. »Sie meinen von Insekten, nicht wahr?«
»Nein. Die Türscanner haben es bemerkt, als Sie und Ihre Schwester das Geschäft betreten haben. In Ihrer Haut stecken nanonische Wanzen. Sie funktionieren wie Miniaturradios, so würden Sie das glaube ich nennen. Sie übermitteln dem Empfänger Informationen über Ihren Aufenthaltsort und das, was rings um Sie herum geschieht. Sie haben insgesamt vier Stück an sich, Louise. Genevieve hat drei. Jedenfalls haben wir so viele entdeckt.«
Louise atmete schockiert ein. Wie dumm von ihr! Natürlich würde Brent Roi sie nicht unbeaufsichtigt umherwandern lassen. Nicht jemanden, der wie sie versucht hatte, einen Besessenen auf die Erde zu schmuggeln. Er würde wissen wollen, was sie als nächstes unternahm. »Ach du heiliger Jesus!«
»Ich schätze, GovCentral ist im Augenblick über die Maßen nervös, was Außenweltler angeht. Ganz besonders solche, die von Norfolk kommen«, sagte Andy. »Wegen der Besessenen und so, Sie wissen schon. Keine Sorge, dieser Raum ist abgeschirmt, niemand kann unsere Unterhaltung hier drin abhören.«
Sein Verkäufergehabe war verschwunden, als er jetzt mit ihr sprach. Genaugenommen benahm er sich beinahe verlegen, was ihn in ihren Augen um so sympathischer erscheinen ließ. »Danke, daß Sie mich aufgeklärt haben, Andy. Scannen Sie all Ihre Kunden?«
»Oh, aber sicher. Hauptsächlich auf nicht ganz legale Implantate. Es gibt eine ganze Menge Gangs, die immer wieder versuchen, unsere Software-Fleks abzusaugen. Außerdem verkaufen wir selbst ebenfalls Wanzen, und deswegen kommt manchmal die Polizei und versucht herauszufinden, wer die Kunden sind. Judes Eworld verfolgt eine Politik der unbedingten Neutralität. Das müssen wir, sonst würden wir niemals etwas verkaufen.«
»Können Sie diese Wanzen entfernen?«
»Das gehört alles zum Kundenservice. Ich kann außerdem eine gründlichere Untersuchung vornehmen und nachsehen, ob es noch mehr davon gibt.«
Sie befolgte seine Anweisungen und stellte sich in die Glaskabine, wo ein umfassender Körperscan bis hinunter auf die subzellulare Ebene vorgenommen wurde. Also weiß jetzt noch jemand mehr, daß ich schwanger bin, dachte sie resigniert. Kein Wunder, daß die Erdbewohner ihre Privatsphäre so sehr schätzen, wenn sie so wenig davon haben. Der Scan förderte zwei weitere Wanzen zutage. Andy preßte ein kleines Pflaster ähnlich einem nanonischen Medipack (die gleiche Technologie, sagte er) auf ihre Arme und Beine; dann zog sie das T-Shirt hoch, damit er an ihren Rücken kam.
»Gibt es eine Möglichkeit herauszufinden, ob die Polizei mich wieder sticht?« fragte sie.
»Ein Block für elektronische Kriegführung sollte dazu imstande sein. Wir hatten vor ein paar Monaten eine Lieferung von Valisk, das allerbeste militärische
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