Armageddon 05 - Die Besessenen
eine Warnung, in der wir sie bitten, das Aussehen ihrer Wirtskörper nicht mehr zu verändern. Es liegt schließlich in ihrem eigenen Interesse.«
»Wenn sie diese Warnung nicht einfach als Propaganda ignorieren«, zweifelte Lalwani. »Bis ein Tumor sich tatsächlich bemerkbar macht, ist es üblicherweise zu spät für einfache medizinische Behandlungen.«
»Nichtsdestotrotz werden wir definitiv diese Warnung ausstrahlen«, entschied Samuel Aleksandrovich.
»Und die zweite?« fragte Kohlhammer.
»Wir bitten den Botschafter der Kiint ganz formell um Hilfe.«
Kohlhammer stieß empört den Atem aus. »Ha! Diese Bastarde werden uns nicht helfen! Das haben sie doch wohl unmißverständlich genug zum Ausdruck gebracht!«
»Äh, Sir?« meldete sich Lieutenant Keaton zu Wort. Er blickte den Leitenden Admiral fragend an und erhielt ein aufmunterndes Nicken.
»Schießen Sie los.«
»Die Kiint haben gesagt, daß sie uns keine Lösung für das Problem der Possession liefern können. In diesem Fall jedoch bitten wir sie lediglich um materielle Hilfe. Wir wissen, daß sie über eine weit höher entwickelte Technologie verfügen als wir. Unsere Gesellschaften haben verbesserte Techniken und Produktupgrades bei ihnen eingekauft, seit wir den ersten Kontakt mit ihnen hatten. Und seit dem Tranquility-Zwischenfall wissen wir, daß sie ihre industrielle Basis längst nicht so sehr aufgegeben haben, wie sie uns glauben machen wollten. Sie sind möglicherweise durchaus imstande, uns die notwendigen medizinischen Systeme in den Mengen zu liefern, die wir brauchen. Schließlich haben wir nur dann eine Verwendung dafür, wenn es uns gelingt, das Problem der Possession zu lösen. Falls die Kiint so sehr mit uns fühlen, wie sie immer wieder versichern, dann besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß sie zustimmen.«
»Eine exzellente Analyse, Lieutenant«, sagte Admiralin Lalwani. »Wir dürfen diese Möglichkeit unter keinen Umständen außer acht lassen.«
»Das hatte ich auch nicht vor«, sagte Samuel Aleksandrovich. »Im Gegenteil, ich habe Botschafter Roulor bereits um ein persönliches Treffen gebeten. Ich werde ihm unsere Bitte unterbreiten.«
»Ein guter Schachzug«, gestand Kohlhammer. »Das ist in der Tat ein hervorragendes Team von Beratern, das Ihre medizinische Abteilung aufgestellt hat.«
Es fühlte sich merkwürdig an zurück zu sein. Quinn bewegte sich im Reich der Geister, während er das Sektenhauptquartier von Edmonton beobachtete. Seine eigenartig verschwommene Wahrnehmung der umliegenden Welt aus der schattigen Existenz heraus mochte zu der neuen Interpretation der vertrauten Räume und Korridore beitragen. Oder vielleicht war es auch nur die Zeit und eine völlig veränderte Haltung gegenüber damals.
Das hier war viele Jahre sein Heim gewesen. Sein Zuhause, ein Ort der Zuflucht und des Terrors. Jetzt war es nur noch eine Ansammlung düsterer Zimmer, bar jeglicher Anziehungskraft oder sentimentaler Erinnerungen. Der Alltag hatte sich offensichtlich nicht geändert, wenngleich die Disziplin gehörig nachgelassen hatte. Sehr zur Wut der Senior-Akolythen. Quinn mußte grinsen, als er zusah, wie sie die Jüngeren anbrüllten und schikanierten. Seine Schuld. Die Botschaft von seiner Ankunft breitete sich aus.
Bald würden alle in Edmonton wissen, daß er gekommen war. Bisher hatte Quinn acht Nester übernommen, und bald waren auch die restlichen soweit. Seine neuen Anhänger dienten nun aktiv dem Willen von Gottes Bruder. Im Verlauf der letzten Tage hatte Quinn mehrere kleine Gruppen ausgesandt, um strategische Sektionen der lokalen Infrastruktur zu sabotieren. Generatoren, Wasserwerke, Verkehrsknotenpunkte – überall hatte er Schäden angerichtet. Es war primitives Zeug gewesen, chemische Sprengstoffe, zusammengebastelt nach Formeln, die vor Jahrhunderten von Freigeistern und Anarchisten in das Netz geladen und seither so oft dupliziert worden waren, daß es für die Regierung unmöglich war sie auszurotten. Auf Quinns Befehl hin hatten die Besessenen die Operationen lediglich überwacht, ohne sich den jeweiligen Zielen tatsächlich zu nähern. Das blieb den Jüngern überlassen, den nützlichen, entbehrlichen Schwachköpfen. Quinn durfte nicht riskieren, daß die Behörden einen Besessenen in Edmonton entdeckten – noch nicht. Also würden die Zerstörungen für den Augenblick als die Taten von abtrünnigen Sektenmitgliedern erscheinen, von Fanatikern, die ihrem Hohen Magus den Rücken zugewandt hatten.
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