Armageddon 05 - Die Besessenen
sich ein paar Tränen aus den Augen und hob gerade rechtzeitig den Blick, um zu sehen, wie ein Daumen und ein Zeigefinger in die Hautfalte unter Hailes Ohr kniffen und das Kiint-Junge zur Seite zerrten. Die Beine des Babys wurden herumgerissen, und es beeilte sich, aus dem Weg zu gehen.
Die Besitzerin der Hand lächelte auf Jay herab. »So, so, meine Süße. Was soll denn diese ganze Aufregung? Und wozu all diese Tränen? Schätze, du hast einen kleinen Schock erlitten, als sie dich hergebracht haben. Na ja, kann ich gut verstehen. Dieser Sprung durch die weite Dunkelheit hat mir auch jedesmal eine Gänsehaut über den Rücken gejagt. Ich würde jederzeit eine Tin Lizzy vorziehen. Das war eine elegante Art der Fortbewegung. Möchtest du ein Taschentuch, damit du dir die Tränen abtrocknen kannst?«
»Äh«, sagte Jay. Sie hatte noch niemals zuvor eine so alte Frau gesehen; ihre braune mediterrane Haut war von tiefen Falten durchzogen, ihr Rücken gekrümmt, ihre Schultern eingesunken. Ihre Kleidung schien direkt aus einem didaktischen Geschichtskurs zu stammen, ein limonengelbes Kleid, das mit winzigen weißen Blumen bedruckt war, ergänzt durch einen breiten Gürtel, einen spitzenbesetzten Kragen und Manschetten. Das schneeweiße Haar war zu einem strengen Dutt zusammengesteckt, und eine doppelte Perlenkette um ihren Hals klimperte leise bei jeder Bewegung. Es war, als wäre sie stolz auf ihr Alter. Doch ihre grünen Augen leuchteten wach und aufmerksam.
Sie zog ein rüschenbesetztes Taschentuch aus dem Ärmel und bot es Jay.
»Danke sehr«, schluckte Jay. Sie nahm das Taschentuch und schneuzte kräftig hinein. Die erwachsenen Kiint waren ausnahmslos zurückgewichen und hielten sich mehrere Schritte hinter der kleinen Frau, wo sie sich eng aneinanderdrückten und gegenseitig stützten. Haile schmiegte sich eng an ihre Mutter Lieria, die einen traktamorphen Arm ausgefahren hatte und ihre Tochter tröstend streichelte.
»So, meine Kleine. Warum fangen wir nicht damit an, daß du mir deinen Namen verrätst?«
»Jay Hilton.«
»Jay also.« Die Wangen der alten Frau wölbten sich nach innen, als würde sie auf einem besonders harten Bonbon lutschen. »Ein hübscher Name. Nun, Jay, mein Name ist Tracy Dean.«
»Hallo. Äh, Sie sind doch echt, oder nicht?«
Tracy lachte. »O ja, Süße, ich bin aus echtem Fleisch und Blut, wenn du das meinst. Und bevor du fragst, warum ich hier bin – das hier ist mein Zuhause. Doch wir wollen uns die Erklärung bis morgen sparen. Weil sie nämlich sehr lang und kompliziert ist und weil du müde und aus der Fassung bist. Du brauchst als erstes ein wenig Schlaf.«
»Ich … ich will aber nicht schlafen!« stammelte Jay. »Alle in Tranquility sind tot, und ich bin hier! Ich will zu meiner Mami, und Mami ist weg!«
»O nein, Jay, mein Kleines.« Tracy kniete neben dem kleinen Mädchen nieder und drückte es an sich. Jay fing schon wieder an zu schluchzen, bereit, jeden Moment in Tränen auszubrechen. »Niemand ist tot, Jay. Tranquility hat ein Eintauchmanöver durchgeführt, bevor auch nur eine Kombatwespe treffen konnte. Diese albernen Dummköpfe hier haben nichts begriffen und sind in Panik ausgebrochen. Sag selbst, sind sie nicht dumm?«
»Tranquility lebt noch?«
»Ja.«
»Und Ione und Vater Horst und die anderen alle?«
»Selbstverständlich. Sie alle sind sicher und wohlauf. Tranquility umkreist in diesem Augenblick den Jupiter. Ich kann dir sagen, das war für alle eine ganz schöne Überraschung.«
»Aber … wie?«
»Wir wissen es noch nicht genau, aber wie es scheint, hat Tranquility irgendwo in seiner Schale eine unglaubliche Masse von Energieknotenzellen versteckt.« Sie bedachte Jay mit einem wissenden Grinsen und zwinkerte. »Schlaue Leute, diese Saldanas. Und sehr gerissen, Gott sei Dank.«
Jay lächelte probehalber.
»Das ist schon besser so. Und jetzt wollen wir sehen, ob wir nicht ein Bett für die Nacht für dich finden.« Tracy erhob sich und hielt Jay an der Hand.
Jay wischte sich mit der anderen Hand das Gesicht ab, während sie ebenfalls aufstand. »Oh. Ja.« Die Erklärungen Tracys klangen ganz schön aufregend. Und dieser Ort hier … sie wollte unbedingt mehr darüber wissen. Plötzlich war alle Müdigkeit verflogen.
– Besserkeit du hast, Frage? erkundigte sich Haile besorgt.
Jay nickte ihrer Freundin begeistert zu. »Es geht mir viel besser.«
– Das gut ist.
– Ich übernehme von jetzt an die vollständige Verantwortung für Jay
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