Armageddon 05 - Die Besessenen
und bedacht. Jay erkannte, daß sie ausnahmslos genauso alt waren wie Tracy. Jetzt, da Jays Aufmerksamkeit erwacht war, bemerkte sie mehrere Bungalows in der dichten Vegetation hinter dem Strand. Sie erstreckten sich rechts und links von einem weißen Steingebäude, das mit seinem roten Ziegeldach und seinem großen, prächtig gepflegten Garten wie ein unendlich exklusives Clubhaus wirkte. Weitere alte Menschen saßen an eisernen Tischen auf dem Rasen, lasen in Büchern, spielten Brettspiele oder blickten einfach hinaus auf das Meer. Malvenfarbene Kugeln, so groß wie Köpfe, segelten träge durch die Luft und bewegten sich von einem Tisch zum anderen. Wo immer sie ein leeres Glas oder einen leeren Teller fanden, absorbierten sie ihn direkt durch ihre Oberfläche hindurch. Häufig produzierten sie im Anschluß ein neues Getränk oder neue Teller mit frischen Sandwiches oder biskuitähnlichen Imbissen.
Jay hielt sich gehorsam an Tracys Seite, während sie den Kopf in diese und jene Richtung drehte, um all die erstaunlichen neuen Dinge in sich aufzunehmen. Als sie sich dem großen Haus näherten, blickten die Leute in ihre Richtung und lächelten aufmunternd, nickten grüßend oder winkten sogar.
»Warum tun sie das?« fragte Jay. Alle Angst und Niedergeschlagenheit waren von ihr abgefallen, jetzt, nachdem sie wußte, daß sie in Sicherheit war. Nur die Müdigkeit war geblieben und meldete sich mit um so mehr Macht.
Tracy kicherte. »Dich hier zu Gast zu haben ist das größte Ereignis an diesem Ort seit langer, langer Zeit. Wahrscheinlich das größte Ereignis, das es hier je gegeben hat.«
Tracy führte Jay zu einem der Bungalows, einer einfachen Holzkonstruktion mit einer Veranda, die sich über die gesamte Vorderseite zog. Auf der Veranda standen große Kübel mit farbenprächtigen Pflanzen darin. Jay fielen die hübschen kleinen Häuser und Dörfer ein, die sie an dem Tag gesehen hatte, als sie und ihre Mutter auf dem Schiff von Durringham aus über den Juliffe zu ihrer neuen Heimat Aberdale aufgebrochen waren. Sie seufzte tief. Das Universum hatte sich seither sehr eigenartig entwickelt.
Tracy tätschelte sie sanft. »Wir sind fast da, Kleines.« Sie stiegen die Treppe zur Veranda hinauf.
»Hallo zusammen«, rief eine freundliche Männerstimme.
Tracy stöhnte ungeduldig. »Richard, laß sie in Ruhe! Das arme kleine Ding ist halb tot vor Müdigkeit.«
Ein junger Mann in roten Shorts und weißem T-Shirt kam barfuß über den Strand herbeigelaufen. Er war groß und besaß einen athletischen Körper, und das lange blonde Haar wurde von einem extravaganten Lederband in einem Pferdeschwanz zusammengehalten. Er zog einen Schmollmund wegen der Rüge und zwinkerte Jay ausgelassen zu. »Ach, komm schon, Trace! Ich möchte nur eine Leidensgenossin begrüßen, die wie ich hier Zuflucht gefunden hat. Hallo Jay, mein Name ist Richard Keaton.«
Jay lächelte unsicher und streckte artig die Hand aus. Er schüttelte sie formell. Sein Benehmen erinnerte sie stark an Joshua Calvert, und das war ein tröstlicher Gedanke. »Sind Sie auch aus Tranquility gesprungen?« erkundigte sie sich.
»Himmel, nein. Nichts dergleichen. Ich war auf Nyvan, als irgend jemand versuchte, einen großen Klumpen Metall auf mich zu werfen. Ich dachte, es sei am besten zu verschwinden, solange niemand hinsieht.«
»Oh.«
»Ich weiß, daß dir im Augenblick alles wirklich seltsam vorkommen muß, deswegen möchte ich dir das hier geben.« Er zog eine Puppe hervor, die entfernt an ein Tier erinnerte, eine flache humanoide Gestalt, die ganz aus abgenutztem goldbraunem Samt bestand. Mund und Nase waren nur schwarze gestickte Linien, und die Augen waren bernsteinfarbene Knöpfe. Ein halbrundes Ohr war abgerissen, und gelbe Holzwolle lugte aus dem Schlitz.
Jay musterte das abgerissene alte Ding mißtrauisch; es war nicht mit den animatischen Puppen in der Krankenstation Tranquilitys zu vergleichen. Es sah genaugenommen noch primitiver aus als jedes selbstgebaute Spielzeug auf Lalonde. Was Jay kaum glauben konnte. »Danke sehr«, sagte sie verlegen, als er es ihr in die Hände gedrückt hatte. »Was ist das?«
»Das ist Prinz Dell, mein alter Teddybär. Womit ich mein Alter verraten habe. Als ich noch jung war, hatte jedes Kind auf der Erde einen Teddy. Er ist der Vorfahre aller animatischen Puppen, mit denen Kinder heutzutage spielen. Wenn du ihn des Nachts bei dir hast, behütet er deine Träume. Aber du mußt dich eng an ihn kuscheln, damit es
Weitere Kostenlose Bücher