Armageddon 05 - Die Besessenen
Kein Wunder, daß das alles schon zu Zeiten meiner Geburt außer Mode war.
– Aber du begreifst allmählich, worauf es ankommt, nicht wahr?
– Vermutlich, ja.
– Gut. Und jetzt komm weiter. Wir machen besser, das wir dieses Haus einnehmen, sonst enden wir noch beim Latrinendienst.
Sinon stieß einen resignierenden Seufzer aus. Wenigstens das gestatteten ihm Kehle und Lippen seines Serjeant-Konstrukts.
Prinzessin Kirsten hatte ihre Retinaimplantate auf maximale Vergrößerung geschaltet, damit sie die Trupps beim Vorrücken auf den verschiedenen Übungsplätzen beobachten konnte. Ein altes Sprichwort kreiste immer wieder in ihren Gedanken, wie eine Datei, die kontinuierlich aus einer Speicherzelle sickerte: Ich weiß nicht, wie der Feind von uns denkt, aber bei Gott, ich fürchte mich vor uns selbst. Es war das erste Mal, daß sie die großen BiTek-Konstrukte außerhalb eines Sens-O-Vis sah. Ihre Kraft und ihr Gebaren machten sie sowohl beeindruckend als auch furchteinflößend. Kirsten war ausgesprochen froh, daß Ralph Hiltch den Mut gefunden hatte, ihr diesen Vorschlag zu unterbreiten. Damals hatte sie die Entscheidung nur zu gerne auf Alastair weitergeschoben. Der Familie fehlte es am Mut, wirklich wichtige Entscheidungen zu treffen; wenigstens der König hatte noch genug Mumm in den Knochen. Es war schon so, als wir noch Kinder waren; wir warteten immer auf seine Entscheidung.
Mehrere Hundert der dunklen Gestalten krochen durch hohes Gras, rutschten und rannten durch das Unterholz oder schoben sich zwischen Büschen hindurch, während allerorten holographische Monster materialisierten und ihnen auflauerten. Das Geräusch von Maschinenpistolenfeuer durchdrang die Stille, ein Geräusch, mit dem Kirsten in den letzten Tagen immer vertrauter geworden war.
»Sie machen gute Fortschritte, Ma’am«, sagte Ralph Hiltch. Er stand neben der Prinzessin auf dem Dach der Einsatzleitstelle, von wo aus man einen ungehinderten Blick über den gesamten Truppenübungsplatz besaß. Ihre jeweiligen Gefolge warteten hinter ihnen, Offiziere auf der einen, Kabinettsmitglieder auf der anderen Seite. »Es dauert im Schnitt nur zwei Sitzungen, um einen Serjeant kampfbereit zu machen. Die Unterstützungstruppen brauchen weit länger. Verstehen Sie mich nicht falsch, Ma’am, diese Marines sind exzellente Soldaten. Ich will auf keinen Fall unterstellen, daß unsere Alliierten oder das Königreich selbst nicht seine besten Soldaten entsandt hat, und die Söldner sind sowieso eine Kategorie für sich. Was mich stört ist die Tatsache, daß sich alle viel zu sehr auf ihre neuralen Nanoniken und die Programme für Taktik und Feuerkontrolle verlassen. Wir versuchen nur, das zu ändern. Wenn ein Besessener die vorderste Frontlinie durchbricht, dann sind die Nanoniken das erste, was nicht mehr funktioniert.«
»Wie viele Serjeants sind inzwischen einsatzbereit?« erkundigte sich Kirsten.
»Etwa zweihundertachtzigtausend. Wir schaffen jeden Tag dreißigtausend weitere. Außerdem öffnen wir jeden Tag fünf neue Übungsplätze. Ich würde die Rate nur zu gerne steigern, doch selbst mit den Brigaden der Konföderierten Navy verfügen wir nur über eine beschränkte Anzahl von Pionieren, und ich muß ihre Aufgaben sorgfältig abwägen. Das Wichtigste für den Augenblick ist, die Baracken und Unterkünfte von Fort Forward fertigzustellen.«
»Mir scheint, Sie haben alles bestens unter Kontrolle, Ralph.«
»Das ist nicht weiter schwer, Ma’am. Wir sagen der KI lediglich, was wir wollen, und sie delegiert die Aufgaben für uns. Es ist das erste Mal in der Geschichte, daß der Oberbefehlshaber einer großen Bodenarmee sich nicht den Kopf über logistische Probleme zerbrechen muß.«
»Vorausgesetzt, kein Besessener kommt in die Nähe der KI.«
»Das ist unwahrscheinlich, Ma’am. Glauben Sie mir, äußerst unwahrscheinlich. Außerdem – selbst das haben wir in unserer Strategie berücksichtigt.«
»Sehr gut. Auch wenn ich es hasse, zu zuversichtlich zu werden. Wann glauben Sie werden wir bereit sein, um mit der Befreiung zu beginnen?«
»Wenn es nach mir ginge, würde ich noch weitere drei Wochen abwarten.« Er quittierte die gerunzelte Stirn der Prinzessin mit einem widerstrebenden Lächeln. Sie hatten gut zwei Stunden an diesem Morgen unter den Augen der Reporter verbracht, während sie den gewaltigen Strom von Material und Menschen inspiziert hatten, der durch den Raumhafen des Forts geschleust wurde. Für die meisten Menschen
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