Armageddon 06 - Der nackte Gott
gerissen, doch der Schrei war an die unendliche Menge von Seelen gerichtet, die ihn umgaben. Erzählt es Capone! flehte er lautlos. Kiera steckt hinter alledem! Ihr müßt ihn warnen!
Er hatte Mühe, sich auf die hartnäckige Drucktür zu konzentrieren. Er schlug erneut dagegen. Das Metall färbte sich rot. Diesmal war es eine Flüssigkeit, kein energistischer Überlauf, der die physikalische Realität veränderte. Bernhard sank auf die Knie, und seine Fingernägel kratzten verzweifelt Halt suchend über das Metall nach unten. Die Seelen rings um ihn wurden um einiges deutlicher.
»Was ist das?« fragte Jed. Er hatte nicht mehr mit Gerald gesprochen, seit sie die Stufen der Mindori heruntergeklettert waren, und selbst da hatte er ihm lediglich gesagt, in welche Richtung sie sich bewegen mußten.
Seither waren sie nebeneinander an den Hellhawks vorbeigegangen, die auf den Simsen ruhten und Nahrung in sich pumpten. Inzwischen befanden sie sich in einer Sektion des Simses, das weder von Capone noch von Kiera benutzt wurde. Niemandsland. Die purpurfarbenen physiologischen Diagramme, die der Raumanzug von innen gegen sein Visier projizierte, berichteten von seinem traurigen körperlichen Zustand: Sein Herzschlag war bei weitem zu hoch, und seine Körpertemperatur lag ebenfalls über dem normalen Wert. Diesmal verzichtete er jedoch darauf, sich eine Infusion zu setzen, um seine hektischen Gedanken zu beruhigen. Bis jetzt jedenfalls.
»Gibt es ein Problem?« fragte Rocio.
»Das frage ich dich, Freund.« Jed deutete auf die Klippenwand in fünfzig Metern Entfernung. Ein Schwall weißer Gase rauschte durch eine offenstehende Luftschleuse horizontal in das Vakuum hinaus. »Sieht ganz nach einem Leck aus.«
»Marie!« schnaufte Gerald. »Ist Marie dort? Ist sie in Gefahr?«
»Nein, Gerald«, antwortete Rocio mit deutlich genervtem Unterton in der Stimme. »Sie ist überhaupt nicht in deiner Nähe. Sie ist auf Capones Party, trinkt Champagner und amüsiert sich.«
»Das ist eine Menge Luft, die da unkontrolliert entweicht«, stellte Jed fest. »Die Kammer scheint leckgeschlagen zu sein. Rocio, kannst du erkennen, was da los ist?«
»Ich erhalte auf keinen der Sensoren hinter der Schleuse Zugriff. Die gesamte Sektion des Netzes wurde isoliert. Nicht einmal ein Druckalarm geht nach draußen an das Lebenserhaltungs-Kontrollsystem des Asteroiden. Der Korridor wurde versiegelt. Irgend jemand muß eine Menge Mühen auf sich genommen haben, um zu verheimlichen, was immer zur Hölle dort vor sich geht.«
Jed beobachtete, wie der Schwall entweichenden Gases verebbte. »Sollen wir trotzdem weitermachen?«
»Auf jeden Fall!« antwortete Rocio. »Laßt euch auf nichts ein. Und zieht auf keinen Fall Aufmerksamkeit auf euch.«
Jed warf einen Blick auf die lange Reihe leerer Fenster über der offenen Schleuse. Sie waren ausnahmslos dunkel. Nichts regte sich dahinter. »Kein Problem.«
»Aber warum?« meckerte Gerald. »Was geht dort vor? Warum willst du nicht, daß wir nachsehen? Es ist Marie, nicht wahr? Mein Baby ist dort drin!«
»Nein, Gerald.«
Gerald machte ein paar Schritte auf die offene Schleuse zu.
»Gerald?« Beths Stimme klang schrill. Angespannt und aufgeregt. »Gerald, hör mir zu! Sie ist nicht dort, in Ordnung? Marie ist nicht dort drin. Ich kann sie von hier aus sehen, Freund. In der großen Hotellobby hängen überall Kameras. Ich sehe sie groß und deutlich vor mir. Ich schwöre es, Freund. Sie trägt ein schwarzes und pinkfarbenes Kleid. Ich könnte mir das nicht ausdenken, oder?«
»Nein!« Gerald rannte los, eine mühsame, hüpfende Art der Fortbewegung in der niedrigen Gravitation des Asteroiden. »Du lügst!«
Jed rannte in wachsendem Entsetzen hinter Gerald her. Außer einer Leuchtkugel gab es so gut wie nichts, womit sie mehr Aufmerksamkeit auf sich hätten lenken können.
»Jed«, sagte Rocio, »ich bin jetzt auf deiner persönlichen Anzugfrequenz. Gerald kann mich nicht hören. Jed, du mußt ihn aufhalten! Wer immer diese Luftschleuse geöffnet hat, will ganz bestimmt nicht, daß Gerald ihn bei seinen Plänen stört. Und es muß sich um eine mächtige Gruppierung handeln. Dieser Zwischenfall könnte unseren gesamten Plan ruinieren.«
»Aber wie soll ich ihn aufhalten? Er wird mich entweder erschießen oder uns beide in das verdammte Jenseits sprengen!«
»Falls Gerald einen Alarm auslöst, kommt keiner von uns lebend von diesem Felsen.«
»O mein Gott!«
Er schüttelte hilflos die Faust
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