Armageddon 06 - Der nackte Gott
handele sich um Phosphor oder Chlorgas oder vielleicht etwas noch Schlimmeres. Die Namen sagten Luca nichts, nur die Absicht, die dahinter gesteckt hatte. Er ging an den Reihen von Verletzten entlang und entrang sich ein verzerrtes Lächeln angesichts hervorquellender Augen, die in gleichem Maße salzige Tränen wie Blut weinten, während er über dem gräßlich abgehackten Husten immer wieder nach tröstenden Worten rang.
Danach gab es keinen Zweifel mehr über das, was getan werden mußte.
Er versammelte eine kleine Gruppe von Landarbeitern um sich, die ihn begleiten sollten. Während er mit ihnen über die Felder zu der zerstörten Lok ging, erinnerte er sich an seine erste Begegnung mit Spanton.
Die Marodeure hatten tatsächlich eine Art Metallplatten über den Rumpf der Zugmaschine genietet. Kein Eisen, wie es schien, sondern irgendein leichtes Konstruktionsmaterial, ein Gerüst, das im Bewußtsein des Betrachters leicht zu einem dicken Panzer werden konnte. Die Platten hatten unter der schieren Wucht des Sturms sichtlich gelitten. Ein paar Kanonenläufe waren abgebrochen, der Rest war zumindest verbogen. Das Fahrwerk der Zugmaschine war zu einem weiten V verformt, dessen vorderes Ende tief im Boden steckte.
Luca wanderte um die Fahrerkabine herum. Sie war völlig zerstört; die Seiten nach innen gedrückt, genau wie das Dach, und der Innenraum auf weniger als Schrankgröße reduziert. Luca ging in die Hocke und spähte durch den verbogenen Fensterschlitz.
Bruce Spanton erwiderte seinen Blick. Sein Körper war zwischen verschiedenen Rohren und Metallstücken eingeklemmt, die aus den Wänden gebrochen waren. Blut aus seinen zerschmetterten Beinen und dem Arm vermischte sich mit Öl und schmutzigem Erdreich. Sein Gesicht zeigte das bleiche Grau eines Schockopfers, und seine Gesichtszüge waren nicht mehr die gleichen wie früher. Die Sonnenbrille war zusammen mit dem zurückgekämmten schwarzen Haar verschwunden, und mit beiden auch jegliche andere Illusion.
»Gott sei Dank!« stöhnte er. »Hilf mir hier raus, Mann. Ich kann nicht mehr tun, als meine verfluchten Beine daran zu hindern, daß sie ganz abfallen.«
»Ich dachte mir, daß ich dich hier finden würde«, entgegnete Luca sachlich.
»Schön, jetzt hast du mich gefunden. Ich geb’ dir eine beschissene Medaille. Hol mich einfach nur raus, ja? Diese Wände sind bei der Rauferei wie Papier eingedrückt worden. Es tut so weh, daß ich den Schmerz nicht einmal wie gewöhnlich abschalten kann.«
»Eine Rauferei also? Das war es, nur eine einfache Rauferei?«
»Was willst du hören, Mann?« kreischte Spanton. Er unterbrach sich und verzerrte das Gesicht wegen der Schmerzen, die sein Ausbruch nach sich zog. »Also schön, in Ordnung. Du hast gewonnen. Du bist der König hier. Und jetzt bieg endlich das Eisen beiseite.«
»Das war’s?«
»Das war was?«
»Wir haben gewonnen, ihr habt verloren, und alles ist vorbei?«
»Sicher, was glaubst du denn, du beschissenes Arschloch?«
»Ah. So langsam verstehe ich. Du spazierst in den Sonnenuntergang und kommst nie wieder zurück, ist es so? Das Ende. Keine nachtragenden Gefühle. Am Ende ist ja alles gutgegangen, du hast ja nur ein paar von meinen Leuten mit Giftgas umgebracht. Vielleicht in einer kleineren Stadt, die nicht imstande ist zurückzuschlagen. Na ja, großartig. Absolut phantastisch. Das ist genau der Grund, weshalb ich herausgekommen bin und der Stadt geholfen habe. Damit du deine kleine Rauferei kriegst und dann in Ruhe wieder abziehen kannst.«
»Was zur Hölle willst du?«
»Ich will leben. Ich will imstande sein, am Ende des Tages auf das zu sehen, was ich vollbracht habe. Ich möchte, daß meine Familie davon profitiert. Ich möchte, daß sie sicher ist. Ich will nicht, daß sie sich ängstigt wegen irgendwelcher größenwahnsinniger Arschlöcher, die meinen, nur weil sie hart sind, hätten sie das Recht, auf dem Rücken normaler hart arbeitender Leute zu leben.« Er lächelte in Spantons erschrockenes Gesicht. »Na, klingelt es vielleicht jetzt bei dir? Erkennst du dich möglicherweise in meinen Worten wieder?«
»Ich gehe weg, in Ordnung? Wir verschwinden von dieser Insel. Du kannst uns auf ein Schiff setzen und dich überzeugen, daß wir wirklich weg sind.«
»Nicht wo ihr seid ist das Problem, sondern was ihr seid.« Luca richtete sich wieder auf.
»Was denn? Das war’s? Hilf mir hier raus, du Arschloch!« Er hämmerte mit der Faust gegen die Wand.
»Ich denke nicht.«
»Wenn
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