Armageddon 06 - Der nackte Gott
Monster, ein solcher Anti-Mensch, daß du einem Vater das verwehren willst? Ein einziger Blick auf meine geliebten Mädchen!
Luca legte den Kopf in den Nacken und schrie: »Du hast sie nie geliebt!« Der Schecke blieb erschrocken stehen, als die vertraute herrische Stimme über das grüne Land hallte. Wut war seine letzte Zuflucht zu sich selbst, die einzige Verteidigung, die Grant Kavanagh nicht zu durchbrechen imstande war. »Du hast sie behandelt wie Vieh! Sie waren nicht einmal Menschen für dich, sie waren Handelsgüter, Teil deines mittelalterlichen Familienimperiums, Vermögenswerte, die du notfalls gegen ihren Willen verheiratet hättest, um deinen Einfluß und dein Geld zu mehren, du Bastard! Du hast deine Töchter überhaupt nicht verdient!« Er erschauerte, dann sank er im Sattel zusammen. »Aber warum sorge ich mich dann?« fragte er sich selbst. »Meine Kinder sind der wichtigste Teil von mir; sie tragen alles weiter, was ich bin. Du hast versucht, sie zu vergewaltigen! Zwei kleine Mädchen! Liebe? Glaubst du wirklich, du weißt auch nur das geringste über Liebe? Ein degenerierter Parasit wie du?«
»Laß mich in Ruhe!« brüllte Luca.
Sollte nicht ich es sein, der dich darum bittet?
Luca biß die Zähne zusammen. Er dachte an das Gas, das Spanton eingesetzt hatte, und an die Art und Weise, wie Quinn Dexter sie dazu gebracht hatte, den Lichtbringer anzubeten. Er errichtete eine Festung aus Wut, damit seine Gedanken wieder seine eigenen sein konnten.
Er zerrte an den Zügeln und drehte das Pferd, so daß er auf Cricklade zurücksehen konnte. Diese ganze Inspektionstour hatte nur wenig praktischen Sinn. Er wußte genau, wie es auf seinem Gut aussah.
Materiell betrachtet ging es ihnen bestens. Mental … Die Schleier aus Zufriedenheit, die sich über ganz Norfolk gelegt hatte, wurde langsam dünner. Luca erkannte den eigenartig verlorenen Groll, der sich langsam hinter dem Horizont zusammenbraute. Cricklade hatte es zuerst gewußt. Überall auf Norfolk fanden die Leute nach und nach heraus, was wirklich hinter ihrer äußerlichen Perfektion lag. Die Seuche der Eitelkeit hatte angefangen, ihre Opfer heimzusuchen. Die Hoffnung schwand zusehends aus ihren Leben. Dieser Winter würde mehr als nur physisch kalt werden.
Luca überquerte die Begrenzung aus hohen Zedern und drängte das Pferd über die Grünfläche hinauf in Richtung Herrenhaus. Allein der Anblick der zeitlosen grauen Steinfassade mit den weißgestrichenen Fenstern darin vermittelte seinen Gedanken Trost und Beruhigung. Dieses Haus gehörte zu ihm, und mit ihm seine Zukunft.
Die Mädchen werden eines Tages hier weitermachen. Sie werden unser Heim und die Familie am Leben erhalten.
Er senkte den Kopf, verbittert wegen seiner schwindenden Willenskraft. Es fiel ihm schwer, seine Wut stundenlang aufrecht zu erhalten, geschweige denn Tage. Müdes, weinerliches Selbstmitleid war keine Verteidigung, und derartige Emotionen waren dieser Tage seine ständigen Begleiter.
Rings um das Haus gab es die üblichen vereinzelten Aktivitäten. Eine runde Kaminbürste, die eine Rußwolke aus dem zentralen Schornstein entließ. Stalljungen, die Pferde zum Grasen hinunter auf die Ostweide führten. Frauen, die Laken zum Trocknen auf die Wäscheleinen hängten. Ned Coldham (Luca erinnerte sich nicht einmal an den Namen des Possessors, der vom Körper des Handwerkers Besitz ergriffen hatte!), der die Fenster des Westflügels strich, um sicherzustellen, daß das Holz vor dem kommenden Winterfrost geschützt war. Das Geräusch einer Säge wehte durch die leeren Fenster der Kapelle. Zwei Männer (die vorgaben Mönche zu sein, obwohl weder Luca noch Grant je von ihrem Orden gehört hatten), die nach und nach die Schäden reparierten, welche Quinn Dexter im Innern angerichtet hatte.
Andere arbeiteten im ummauerten Küchengarten an der Seite des Hauses. Cook hatte eine Gruppe von Helfern damit beauftragt, die Spargelsprossen zu stechen und zum Einfrieren vorzubereiten. Es war bereits die fünfte Ernte, die sie in diesem Jahr von den genetisch verbesserten Pflanzen einbrachten.
Johan saß neben dem steinernen Torbogen, eine Decke über den Knien, und saugte die Wärme des aus allen Richtungen gleichzeitig scheinenden Sonnenlichts in sich auf.
Véronique saß neben ihm auf einem Stuhl, und ihr Baby Jeanette schlief in einer Wiege; ein Sonnenschirm schützte es vor dem hellen Licht.
Luca stieg ab und ging zu seinem einstigen Stellvertreter. »Wie geht’s?« fragte
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