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Armageddon 06 - Der nackte Gott

Armageddon 06 - Der nackte Gott

Titel: Armageddon 06 - Der nackte Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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Triebfeder für sein Tun. Wie bei den Orgathé, so begann auch bei ihm der Instinkt die Rationalität zu ersetzen.
    »Komm schon«, drängte Tolton. »Sag’s mir.« Er beugte sich herab und bewegte die Hand durch den leise wimmernden Geist. Die Luft fühlte sich ein wenig kühler an, doch das war auch schon der einzige Hinweis auf seine Existenz. »Was hast du mit ihm gemacht?«
    »Es ist das Fluidum«, sagte Dariat. »Ich brauche eine Menge, um mich selbst zu erhalten.«
    »Eine Menge von was?« Es war eine rhetorische Frage. Tolton kannte die Antwort auch so.
    »Lebensenergie. Sie verbraucht sich, auch wenn ich nichts tue. Ich muß sie immer wieder ersetzen. Ich verfüge nicht über eine Biologie. Ich muß weder essen noch atmen; aber ich muß Lebensenergie aufnehmen. Und andere Seelen besitzen eine hohe Konzentration davon.«
    »Was ist mit ihm?« Eine dünne Patina aus Frost hatte sich im Bereich des vagen Umrisses auf dem Boden gebildet, wo der geschwächte Mechaniker lag. »Was ist mit seiner Konzentration?«
    »Er wird sich wieder erholen. Es gibt genug Pflanzen und anderes Zeugs, aus dem er den Verlust wieder wettmachen kann. Er hat mir viel Schlimmeres zugefügt, glaub mir.« Ganz gleich, wie sehr Dariat sich auch bemühte, er schaffte es nicht, den Blick von dem geschwächten Geist abzuwenden. So werden wir alle enden, gestand er sich ein. Erbärmliche Schatten dessen, was wir einst waren, die sich an ihre Identität klammern, während das dunkle Kontinuum uns langsam auslaugt, bis wir nur noch eine lautlose Stimme sind, die in der Nacht weint. Es gibt keinen Weg hinaus. Die Entropie hier ist zu stark, und wir entfernen uns immer weiter vom Licht.
    Und ich habe großen Anteil daran, daß wir überhaupt hier gelandet sind.
    »Kommt, wir gehen wieder nach drinnen«, sagte Erentz. »Es wird Zeit, daß wir dich unter das Mikroskop legen. Vielleicht können die Physiker neue Erkenntnisse aus dir gewinnen.«
    Dariat überlegte einen Augenblick, ob er protestieren sollte, doch schließlich nickte er nur schwach. »Sicher«, sagte er.
    Sie durchquerten die Gruppe von gedrückten Geistern und kehrten zum Höhleneingang zurück. Zwei weitere Orgathé schossen aus der Lobby des Gonchraov-Sternenkratzers und segelten taumelnd hinauf in das Zwielicht des Habitat-Inneren.
     
    Bei King’s Cross trieben sich Vigilanten herum, harte junge Bandenmitglieder aus den billigen Wohngegenden in den äußeren Bezirken der Westminster-Kuppel. Ihre Uniformen reichten von Pseudo-Militaria bis hin zu teuren Geschäftsanzügen und verrieten ihre verschiedenen Zugehörigkeiten. Normalerweise war eine solche Mischung hypergolisch. Sehen und Töten. Und wenn sich Zivilisten in die Schußlinie verirrten, wurde es hart für sie. In manchen Fällen reichten die Fehden zwischen Gemeinden oder einzelnen Banden Jahrhunderte zurück. Heute jedoch trugen alle ohne Ausnahme ein einfaches weißes Band an ihren verschiedenen Revers. Es stand für Reine Seele, und es vereinigte sie in ihrem Engagement. Sie waren hier um sicherzustellen, daß London frei blieb von Besessenen.
    Louise trat aus dem Vakzug-Waggon und gähnte heftig. Genevieve lehnte sich an sie und schlief fast im Gehen, als sie sich von der großen Luftschleuse entfernten. Es war drei Uhr in der Frühe, lokale Zeit. Louise dachte lieber nicht darüber nach, wie lange sie inzwischen ununterbrochen wach war.
    »Was habt ihr Miststücke euch eigentlich dabei gedacht, hier auszusteigen?«
    Sie hatte die beiden nicht einmal bemerkt, bis sie genau vor ihnen stand. Zwei große dunkelhäutige Frauen mit rasierten Schädeln; die größere der beiden hatte ihre Augäpfel gegen silberne Kugeln ausgetauscht. Beide trugen identische schwarze zweiteilige Anzüge aus einer Art Seide. Die Jacken wurden von einem einzelnen Knopf vorn geschlossen; darunter trugen sie keine Blusen, und ihre Bauchmuskeln traten so deutlich hervor wie bei einem Landarbeiter von Norfolk. Das Dekollete war der einzige Hinweis auf ihre Weiblichkeit, doch selbst das half Louise nicht viel weiter. Vielleicht waren es auch nur extrem ausgebildete Brustmuskeln.
    »Hä?« antwortete sie verwirrt.
    »Dieser Zug kommt von Edmonton, Baby. Da sind die Besessenen. Seid ihr deswegen von dort verschwunden? Oder seid ihr aus einem anderen Grund gekommen, vielleicht weil ihr in einen unserer schicken Nachtclubs wollt?«
    Louise wurde schlagartig hellwach. Sie bemerkte eine Menge junger Leute auf dem Bahnsteig, manche in Anzügen wie denen

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