Armageddon 07 - Zweite Chance auf Eden
klare Wasser wie Fahrradspeichen. Genau in der Mitte ragten die traurigen, von Wind und Regen stumpf gewordenen Überreste eines Frachtlanders aus dem Wasser, der zweieinhalb Jahrhunderte zuvor vom Kurs abgekommen war, als er Ausrüstung für die neu gegründete Kolonie nach unten bringen sollte. Schiffe aller Größen und Formen segelten um den Lander herum, und leuchtende Segel flatterten schlaff in der stillen Luft.
Er starrte angestrengt auf das Meer. Am Horizont waren die ersten Inseln des Archipelagos zu sehen. Dort draußen zwischen den verschlafenen Atollen und ihren ruhigen Bewohnern konnte er seine Spur für immer verwischen. Die Schiffe, die in diesem Hafen anlegten, hinterließen keine Eintragungen in bürokratischen Speichern, gaben keinen Zielort an und waren niemandes Untertan. Auf Tropicana herrschte eine Freiheit, die kaum einen Schritt von Anarchie entfernt war.
Er wanderte an der westlichen Hafenmauer entlang und zu den kleineren Booten, Fischseglern, Küstensampans und Händler, die zwischen den Städten des Hauptlandes und den Inseln kreuzten. Er war sicher, dass eines der Boote bald ablegen würde, obwohl er aus ein paar kurzen Unterhaltungen mit Seeleuten erfahren hatte, dass man dort kaum je Hilfsmatrosen anheuerte. Fast alle waren Familienunternehmen. Eason hatte nicht viel Geld in seiner Kreditdisk, vielleicht gerade genug für eine weitere Passage an Bord eines Raumschiffs, vorausgesetzt, dass er nicht mehr als ein oder zweihundert Fuseodollars ausgab.
Er sah das Mädchen, noch bevor er den halben Weg zum Ende der Mauer zurückgelegt hatte. Sie war vielleicht fünfzehn, groß und beinahe schlaksig, und sie trug ein lockeres topasfarbenes Baumwollhemd und türkise Shorts. Dickes goldbraunes Haar fiel bis weit über die Schultern herab, doch die Feuchtigkeit hatte ihm allen Glanz genommen, und es hing schlaff herab.
Sie stolperte unter dem Gewicht eines torkelnden alten Mannes in einer schweißdurchnässten Weste. Er sah aus, als wäre er zweimal so schwer wie sie.
»Bitte, Ross«, flehte sie. »Mutter wird sonst ohne uns ablegen.«
Seine einzige Antwort war ein betrunkenes Gurgeln.
Eason trat zu ihr. »Kann ich Ihnen helfen?«
Sie bedachte ihn mit einem Blick, der halb schuldbewusst, halb dankbar war. Von hinten hatte sie ausgesehen, als wäre ihr Gesicht schmal, und er hatte Recht: eine kleine flache Nase, volle Lippen und besorgt dreinblickende Augen wurden von ihrem langen Haar eingerahmt. »Meinen Sie das ernst?«, fragte sie unsicher.
»Kein Problem, wirklich.« Eason setzte sein Reisegepäck ab und legte sich den Arm des alten Mannes über die Schulter. Dann richtete er sich auf. Der Bursche war überraschend schwer; das Mädchen musste stärker sein, als es aussah.
»Hier entlang«, sagte sie und wand sich aufgeregt.
»Würden Sie bitte meine Reisetasche nehmen? Übrigens, mein Name ist Eason«, sagte er, als sie sich an der Mauer entlang in Bewegung setzten.
»Althaea.« Sie errötete und nahm seine Tasche. »Soll ich auch Ihren Koffer nehmen?«
»Nein«, grunzte er. »Es geht schon.«
»Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar! Ich hätte schon vor einer Viertelstunde zurück an Bord der Orphée sein müssen.«
»Ist der Fahrplan so eng?«
»O nein, Mutter möchte nur gerne wieder zu Hause sein, bevor es dunkel wird. Wir brauchen immer einen ganzen Tag, wenn wir nach Kariwak fahren.«
»Sollte er denn in diesem Zustand auf ein Schiff?«
»Er wird wohl müssen«, sagte sie in einem plötzlichen Anfall von Ärger. »Er betrinkt sich jedes Mal, wenn wir ihn mitnehmen. Und immer bin ich es, die durch alle Tavernen laufen und ihn suchen muss. Ich hasse diese Kneipen.«
»Ist er Ihr Vater?«
Sie lachte laut auf, dann schlug sie sich erschrocken die Hand über den Mund. »Verzeihung. Nein, er ist nicht mein Vater. Er heißt Rousseau, und wir nennen ihn Ross. Er lebt bei uns, hilft im Haus und im Garten und so weiter. Wenn er nüchtern ist«, fügte sie in scharfem Ton hinzu.
»Wo leben Sie?«
»Mutter und ich leben auf Charmaine. Das ist eine kleine Insel draußen vor der Küste.«
Er verbarg sein Grinsen. Perfekt. »Muss ein anstrengendes Leben sein, so ganz allein.«
»Wir kommen zurecht. Außerdem ist es ja nicht für immer.« Ihre knochigen Schultern zuckten in einer Geste, die vermutlich entschuldigend sein sollte. Es sah eher aus wie ein Krampf. Eason konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal eine so schüchterne Person getroffen hatte. Es machte sie auf
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