ARMAGEDDON, die letzte Schlacht
heilig ist?«
»Was ist - heilig?«
»Etwas, das man verehrt. Wo man feiert. Gott anruft ...«
»Gott?«
»Das höhere Wesen, das euch und alles hier geschaffen hat.«
Offenbar überstieg dies die Vorstellungskraft des Jungen. »Nein.«
»Denk nach! Es muß etwas in dieser Art geben!«
»Weißt du, wo es ist?«
Lilith lächelte bitter. Wenn ich das wüßte, junger Freund, brauchte ich dich nicht zu fragen. Laut sagte sie: »Nein.«
»Warum suchst du es?«
»Weil ich Kontakt zu dem höheren Wesen, von dem ich sprach, herstellen will.«
»Bist du auch ein - Gott?«
»Nein. Es gibt nur einen Schöpfer.«
»Wenn du willst, führe ich dich zu meinem Stamm. Ich glaube nicht, daß du gefährlich bist. Auf mein Gefühl kann ich mich verlassen. Es hat mir viele Male das Leben gerettet.«
Lilith legte den Kopf schief. »So oft wie du von Bedrohungen redest, kann dies wahrhaftig nicht der Garten Eden sein.«
»Der Garten ...?«
Lilith wiegelte ab. »Vergiß es. Und danke für dein Angebot. Aber ich möchte diesen Ort nicht verlassen. Ist es noch lang bis Sonnenaufgang?«
Der fremde Junge verneinte. »Ich bleibe bei dir, wenn du willst.«
»Warum?«
»Du gefällst mir. Du unterscheidest dich von unseren ...«
»... Weibern?« Lilith lachte fast ehrlich amüsiert.
Auch Maarn stimmte in das Lachen ein. »Heißt das, du bist einverstanden?« »Womit? Mit deiner Gesellschaft?« Sie zuckte die Achseln. »Warum nicht? - Kannst du uns ein Feuer machen?«
»Machen?« Maarns Stimme bekam einen ebenso ehrfürchtigen wie erstaunten Klang.
»Ja, Feuer kann dir nicht unbekannt sein. Vorhin sagtest du, ich solle mich fortscheren an mein -«
Maarn unterbrach sie: »Wir hüten unser Feuer; wir hüten es mehr als jede andere unserer Habseligkeiten - gerade weil wir es nicht machen können. Niemand kann das. Manchmal fährt ein Wetter in einen Baum, spaltet ihn und setzt ihn in Brand. Dann bergen wir die Glut und tragen sie heim in unsere Höhle.«
»Ihr lebt in einer Höhle?«
»Dort ist es auch an Regentagen trocken.«
Hätte Lilith noch leise Zweifel gehegt, weit in die Vergangenheit verschlagen worden zu sein, spätestens jetzt wären sie verschwunden.
Ich bin weit gereist, aber nicht weit genug, dachte sie. Als die Menschen so lebten, war ER wahrscheinlich schon fort .
Fort wohin? Es gab unermeßlich viele Möglichkeiten und Orte im Universum!
Lilith hatte sich nie richtig damit auseinandergesetzt, aber in ihrer jetzigen Lage bot es sich an, über Gott nachzudenken. War die Erde, waren die Menschen nur eine von unzähligen Schöpfungen? War diese Welt vielleicht nicht einmal sein erster Versuch gewesen, Wesen nach seinem Ebenbild in eine Natur zu pflanzen, die ihnen die Fortentwicklung ermöglichen sollte? Denn wenn dieser Planet einzigartig im ganzen Kosmos gewesen wäre, wohin hätte es Gott dann nach getanem Schöpfungswerk ziehen sollen?
Oder war dies der falsche Ansatz für eine Antwort? Mußte die Frage nicht viel eher lauten: Woher war Gott dereinst gekommen?
»Wie weit entfernt von hier lebt dein Stamm?« fragte sie Maarn.
»Eine Tagesreise in Richtung der aufgehenden Sonne.« »Nach Osten also ...«
»Osten?«
Lilith preßte die Lippen zusammen. Übergangslos überkam sie wieder die Verzweiflung. Das Bewußtsein des Todes, der seine Ernte mit jeder verrinnenden Sekunde reicher einbrachte - dort, von wo sie aufgebrochen war.
Die Zukunft wird sterben! Ein finsterer Sturm wird jedes Leben hinwegfegen. Ein Orkan, gegen den die Sintflut zur Bedeutungslosigkeit verblassen wird...
Sie ballte die Fäuste.
»Du bist sehr schön«, sagte Maarn. »Schöner als -«
»- eure Weiber?«
Der junge Fremde kicherte.
Lilith hingegen war das Lachen vergangen.
*
Bei Sonnenaufgang war Maarn fort.
Lilith war gegen einen dicken Baumstamm gelehnt eingenickt. Sie hatten geplaudert, der Junge und sie. Viel erfahren hatte sie dabei nicht von ihm. Maarns Welt war winzig klein. Weiter als eine Tagesreise hatte er sich noch nie von der Höhle, in der er mit einem knappen Dutzend anderer hauste, entfernt. Sie waren ein kleiner Stamm, der sich über Inzucht vermehrte, ohne daß dieser Begriff eine Rolle für die Männer, Frauen und Kinder gespielt hätte.
Tabus dieser Art kannten sie nicht. Ihr Überleben als Gemeinschaft hing von der Vermehrung ab, denn keiner von ihnen wurde alt.
Das erklärte auch, daß Maarn trotz seines geringen Alters allein auf die Jagd geschickt wurde. Die Wahrscheinlichkeit, daß der Stamm in
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