ARMAGEDDON, die letzte Schlacht
an mir und unserer Sache nicht erfüllt. Steh auf!«
Umständlich kam Nona seinem Befehl nach. Auf wackligen Beinen stand sie dann, vorgebeugt und zitternd, neben Gabriel. Und inmitten der Kinder des Teufels, deren Geburt sie vor Jahrhunderten beigewohnt hatte, ohne damals schon zu ahnen, was aus ihnen werden würde.
Zu zwölft umstanden die albinohaften Gestalten eine Vertiefung im Wüstenboden, stumm und starr, als hätte sich das Leben einstweilen aus ihnen zurückgezogen, bis sie wieder gebraucht wurden. Und daß sie gebraucht wurden, genau an dieser Stelle, daran zweifelte Nona nicht.
Alles, was Gabriel hier arrangiert hatte, spielte eine Rolle, war von Bedeutung.
Nona wußte es aus eigener, mehr als nur leidvoller Erfahrung ...
»Was«, brachte sie mühsam und grollend hervor, »was hast du dir jetzt wieder ausgedacht, womit du mich quälen willst?«
Ein flüchtiges Lächeln erschien auf Gabriels Gesicht (Wirkte es nicht maskenhafter als zuvor? Ganz so, als würde es ... dünner, als dränge darunter etwas mit wachsender Gewalt hervor?)
»Dich zu quälen ist ganz gewiß nicht meine Absicht«, erklärte er, »allenfalls ein hübscher Nebeneffekt.«
Sein Lächeln erlosch.
Seine Hand schoß auf Nona zu, packte abermals ihren Kopf. Sie wehrte sich nicht dagegen, daß er ihn hin und her drehte, damit ihr Blick über das Wolfsheer schweifte.
»Einen brauchen wir«, murmelte Gabriel, »oder eine. Nicht den stärksten unserer Krieger, sondern -« Ausschnitte des Gesamtbildes sprangen Nona förmlich an, wuchsen in ihrem Blickfeld zu erdrückender Größe und entsetzlicher Detailiertheit. »- jemanden, der entbehrlich ist.«
Und dann hielt er inne.
»Sie ist es«, befand er und ließ Nona los. Die Werwölfin, auf die er ihren Blick schließlich gelenkt hatte, war Nona fremd, so fremd wie alle anderen Soldaten jener Armee, der sie vorstand.
»Hol sie her«, verlangte Gabriel.
»Wozu?« wagte Nona zu fragen.
Der Teuflische sah schweigend in die Tiefe des Kraters hinab. Sein Blick allerdings schien Bände zu sprechen - in einer Sprache jedoch, die Nona nicht verstand.
»Hol sie her!« Seine Worte schnitten schmerzhaft wie glühende Klingen in ihr Gehirn.
Nona heulte auf. Gehorchte und ging.
4. Kapitel
Gestrandet
Sie entsann sich nicht, den Korridor verlassen zu haben. Dennoch mußte es geschehen sein.
Lilith hob Lider und Kopf. Sie erwartete Schmerz, aber es war, als würde sie aus ganz normalem Schlaf an ganz normalem Ort erwachen. Düfte hatten sie geweckt. Und ein unglaublich intensives Gefühl von Frieden, von absoluter Harmonie.
Dennoch war der erste bestürzte Gedanke, der sich in ihrem wachen Gehirn formte: Wo bin ich hier? Bin ich über das Ziel hinausgeschossen ...?
Seit sie ihre Erinnerung von Gabriel wiederbekommen hatte, sammelten sich in ihrem Gedächtnis auch wieder jene diffusen Bilder, die sich dort bei ihrem ersten Besuch des Tunnelendes verankert hatten. In eine karg bewachsene Steppe, fast wüstengleich, hatte die Treppe gemündet, die auf dieser Seite aus dem Korridor der Zeit herausgeführt hatte.
Während sie den Oberkörper aufrichtete und mit durchgestreckten Armen die Handflächen auf den weichen Boden stützte, biß sich ein grauenhafter Schmerz in Lilith fest, geboren aus tiefster Verzweiflung!
War sie zu spät gekommen?
Aber . wieso endete der Korridor plötzlich hier?
Nicht nur die vertraute Wüstenei war verschwunden, auch die Nacht, in die sie nach Verlassen des magischen Korridors geschleudert worden war, sah anders aus .
ZU SPÄT! dachte sie trotz der Wärme schaudernd. GOTT LEBT HIER NICHT MEHR!
Der Korridor war verkürzt.
Aber weshalb, und wer konnte -?
ER! gab sich Lilith die Antwort selbst. Sie setzte sich aufrecht und wühlte mit den Fingern in dem von mikroskopisch winzigem Leben wimmelnden Erdreich. Sie hatte das Gefühl, neugierig taxiert zu werden. Von Augen ohne Zahl. Von Tieren und Insekten.
Aber die Nacht wahrte ihre Geheimnisse. Das Sternenzelt (auch das war anders als beim ersten Besuch - damals hatte das Firmament noch seltsam unfertig gewirkt!) funkelte durch die lichten Kronen mächtiger Bäume.
Etwas krabbelte über ihren Handrücken. Lilith akzeptierte es zunächst regungslos. Nicht nur winzige Beine, auch zarte Fühler schienen tastend über ihre Haut zu streifen.
Nach einer Weile löste Lilith vorsichtig die Finger aus dem Boden, hob die Hand, die das Tattoo Gottes trug, nah vor die Augen und .
. sah in fremde Augen.
Winzige,
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