ARMAGEDDON, die letzte Schlacht
den Genuß erlegten Wildes kam, war bei mehreren gleichzeitig gestarteten Einmann-Unternehmen größer. Außerdem war der Wald voller Gefahren, und wenn die Gruppe auf einen über-mächtigen Gegner traf, konnte es geschehen, daß sie vollständig ausgelöscht wurde. Bei Einzelgängern mochte der eine oder andere auf der Strecke bleiben, die restlichen Jäger jedoch überlebten und kehrten mit Beute heim.
Fressen und gefressen werden, dachte Lilith, während sie ins Sonnenlicht blinzelte und die verlassene Stelle betrachtete, an der Maarn gesessen hatte. Darwin lebe hoch!
Das Moos war noch eingedrückt, wo Maarn sich ausgeruht hatte, und es wirkte an dieser Stelle - Lilith schüttelte über sich selbst und ihre Einfälle den Kopf - grüner, saftiger als dort, wo es unberührt war .
»Maarn?«
Sie stand auf, streckte sich und rief noch ein paarmal nach dem Jungen, jedesmal vergebens. Maarn hatte ihr Erwachen nicht abgewartet, sondern war vermutlich mit dem ersten Tageslicht weitergezogen.
Vielleicht bin ich ihm ohne das Deckmäntelchen der Dunkelheit doch zu unheimlich geworden, dachte Lilith. Sie blickte an sich herab und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. Der Symbiont bedeckte nicht mehr nur ihre Scham, sondern hatte sich während ihres Schlafes in ein Kleidungsstück verwandelt, das sie komplett wie selten bedeckte. Ja, auch das Haar und ihr Gesicht steckten unter einem Gespinst, das wie feines Gaze wirkte, Mund, Nase, Augen und die Ohrmuscheln jedoch aussparte.
Hatte Maarn die »Ausbreitung« des Symbionten beobachtet und war vor dem gespenstischen Anblick geflohen? Denkbar war es.
Irritiert über das Verhalten des Symbionten formulierten Liliths Gedanken den Befehl, zumindest Kopf und Hände freizugeben.
Der lebende Mimikrystoff gehorchte ohne Zögern.
Erst jetzt widmete sich Lilith ihrer Umgebung, die in ihrer Pracht und Fülle alle Erwartungen übertraf, die bei Nacht geweckt worden waren.
Ein Urwald im wahrsten Sinne des Wortes. Nicht undurchdringlich verflochten wie in den Regenwäldern und Dschungeln der fernen Zukunft, sondern licht und von wundervollen Farben durchwoben. Überall blühte es verschwenderisch zwischen schwerem Grün. Überall war Bewegung, sangen Vögel, kletterten behende Tiere in den Ästen der Bäume ...
Ungern erinnerte sich Lilith der Warnung Maarns ob der Gefährlichkeit dieses Waldes, und mit nicht halb soviel Zuversicht, wie sie es sich gewünscht hätte, untersuchte sie ihre nähere Umgebung nach einem Indiz für den magischen Korridor, aus dem sie herausgeschleudert worden war.
Obwohl der Boden weich und mit Fußstapfen übersät war - die meisten stammten von ihr und dem Jungen, andere, weniger ausgeprägte von unbekannten Tieren -, und obwohl Lilith sicher war, den Beginn der eigenen Fährte entdeckt zu haben, fand sie an der betreffenden Stelle nichts, was auf den Tunnel durch die Zeit hingedeutet hätte.
Schwach erinnerte sie sich, daß sie auch seinerzeit - als sie aufgebrochen war, um die Ur-Lilith aus ihrem Stasisgefängnis zu befreien - in Gefilde verschlagen worden war, wo sie verzweifelt um ihr Überleben hatte kämpfen müssen, ehe sie den Weg zurück in den Korridor unter der Wasseroberfläche eines Sees wiedergefunden hatte.
Hier jedoch existierte kein Gewässer. Der Boden war eben. Kein Hügel weit und breit, kein .
Lilith stutzte.
Dort, wo ihr Blick hängengeblieben war, gab es doch ein paar größere, von Schlingpflanzen überwucherte Gesteinsbrocken, die sich aus dem Einerlei des Unterholzes abhoben.
Obwohl die Stelle außerhalb des Radius lag, den Lilith seit vergangener Nacht beschritten hatte, marschierte sie darauf zu. Eine dunkle Ahnung leitete sie. Nichts, wovon sie sich eine Lösung aus ihrem Dilemma versprochen hätte, sondern schlichte Neugierde.
Kurz darauf erreichte sie den ersten Granitklotz und befreite ihn mit bloßen Händen vom Grünwuchs.
Was darunter zum Vorschein kam, bestätigte ihren Verdacht, und sofort begann ihr Herz schneller zu schlagen.
Erinnerungen wurden an die Oberfläche geschwemmt. Erinnerungen an etwas, das sie niemals vergessen würde .
Der Schädelfelsen!
Dieses Trümmerstück war ein Überrest jenes gigantischen Monuments, das Gott für die Ur-Lilith erschaffen hatte, nur um sie darin für alle Zeiten für ihre Untaten und den Bruch seines Vertrauens büßen zu lassen ...!
Der Ort stimmt also, dachte Lilith. Nur die Zeit ist falsch.
Bis zum Mittag setzte sie ihre Suche nach einer Spur fort, die ihr
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