Armeen Der Nacht
wollte, daß er in diese Gasse kam. Und plötzlich war da noch ein zweiter Mann, der sich offensichtlich weniger für den toten Esel interessierte als für ihn.
Tor! verfluchte sich Straton erneut. Doch es gab nun nur zwei Möglichkeiten — entweder die Gasse mit Vis oder die Flucht ergreifen und die Aufmerksamkeit des ganzen Pöbels erregen.
3
Moria wartete voll quälender Ungewißheit in der Eingangshalle, den Umhang fest um sich geschlungen. Unten auf der Straßen waren genügend kräftige Burschen, die ihr mit all dem Prunk einen sicheren Weg durch Abwind garantierten. Dieses höchst vornehme, gefährliche Haus gehörte Lady Nuphtanei, zu der Ischade sie laut Haught geschickt hatte. Haught gab ihr als Schutz einige der besten Männer von Abwind mit, gebadet und wie echte Lakaien zurechtgemacht; obendrein gab er ihr ein Papier, zur Aushändigung an die Lakaien. Und Moria aus der Gosse von Abwind stand in diesem vornehmsten aller vornehmen Häuser in Freistatt und verkrampfte die verschränkten Hände, während sie geübten Auges den Reichtum in Gold und Silber um sich abschätzte.
Aus den Augenwinkeln sah sie eine Bewegung. Sie blickte in die Richtung, schluckte und sprang gut vier Fuß zurück aus dem Weg der kriechenden Schlange.
Dann blickte sie auf, immer noch zurückweichend, und ließ das kleine Ding in ihrer Hand fallen, daß es über den Teppich rollte, als eine Reihe übereinander schwingender Röcke in Sicht kam, die die Schlange bedeckten: Röcke und kleine bloße Füße und Schmuck und blonde Löckchen und ein bemaltes Gesicht. (Ihr Götter, sie ist ja ein wahres Püppchen!)
Der Puppe folgte eine gesetztere Begleiterin, größer, mit glattem blondem Haar und Fransentuch, starren Augen und sehr ernstem Gesicht.
Die Puppe plapperte in der Sprache der Beysiber. »Oh«, sagte die Große. »Eine Botschaft. Von wem?«
Das kann dir egal sein, Luder, dachte Moria, aber sie sagte: »Es ist von keiner Bedeutung für Euch oder mich.« Ganz und gar Rankene. Atemlos fuhr sie fort: »Euer Gold hat Euch Schwierigkeiten und Eure Freunde haben Euch Feinde eingebracht, Feinde, die von Tag zu Tag mehr werden. Ich habe Verbindungen. Ich bin hier, um sie Euch anzubieten.«
»Verbindungen?« Die große Beysiberin starrte sie mit diesen seltsamen Augen an und befingerte ein kleines Messer unter den Fransen ihres Tuches. Eine ihrer Halsketten regte sich, eine die wie Cloisonnearbeit ausgesehen hatte, es jedoch nicht war. »Verbindungen? Zu wem?«
»Sagen wir, dieser eine kann Euch retten, wenn die Mauern fallen.«
»Welche Mauern?«
»Sagen wir, Ihr dient der Beysa. Sagen wir, ich diene jemand anderem. Richtet der Beysa aus, daß der Wind sich dreht. Gold kann keine Mauern kaufen.«
»»Wer seid Ihr?«
»Richtet es der Beysa aus. Sagt ihr, mein Haus ist das mit der roten Tür, hangab von hier. Ich heiße Moria. Sagt der Beysa, daß es Möglichkeiten gibt, ihr Volk zu schützen. Und Möglichkeiten, durch jede Tür zu gelangen.« Damit hatte sie alles ausgesprochen, was sie aussprechen sollte. Sie hatte keine Ahnung, was sie gesagt hatte, sie sah nur, daß die zwei Beysiberinnen sie anstarrten und daß das Halsband der größeren sich aufgerichtet hatte.
Die Puppe redete nun sehr schnell. Sie wollte heranstürmen und sah wütend aus, doch die andere hielt sie zurück. Nun ließen sich auch Männer sehen, elegante, ruhige Männer, sechs an der Zahl.
»Ich bin fertig«, erklärte Moria und deutete zur Tür. Sie machte einen Schritt rückwärts, dachte an Schlangen und beschloß lieber, sich umzudrehen und nachzusehen. Es war kein angenehmer Rückzug. Sie wandte das Gesicht wieder der Beysiberin zu. »Ich würde Euch raten«, sagte sie, »Eure Türen zu verschließen und im Haus zu bleiben. Ihr wart töricht, Euch in solchem Prunk auf die Straße zu begeben. Es gibt nicht mehr so viele von Euresgleichen. Brot ist wertvoller, Gold weniger, und zwei Blocks hangab von meinem Haus wagen sich nicht einmal die Gardisten mehr auf die Straße. Denkt darüber nach.«
»Kommt her«, forderte die Beysiberin sie auf.
»Nicht mit diesen Schlangen«, wehrte Moria ab. Sie riß die Tür auf und schlug sie hinter sich zu.
Ihr Geleitschutz war nicht sofort zu sehen. Er machte sich erst bemerkbar, als sie die Treppe hinunterschritt: ein Mann, der herbeischlurfte, ein anderer, der sich aus einer Gasse anschloß. Nur einer ging offen neben ihr, einer ihrer eigenen Diener, ein neunfingriger Bursche, der sehr flink mit dem Messer war.
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