Armegeddon Rock
Stück, fragte sich, worum es wohl ging, versuchte, einen Sinn darin zu finden. Aber es nahm nie so recht feste Konturen an.
Den »Armageddon Rag« spielte er kaum je. Den, dachte er, verstand er sehr gut, und das Verstehen machte ihn nervös.
Im März fingen die Träume wieder an.
Manche von ihnen, dachte Sandy, waren bloß gewöhnliche Alpträume. Er träumte von Sharon, in Eis gekleidet, ihre Haut blau vor Kälte, ihre Gläser mit einem Rand aus Reif. Er träumte von Maggie, die weinte. Butcher Byrne pirschte durch seine Nächte, mit der Schrotflinte in der Hand auf der Jagd nach ihm, und am Ende dieses immer wiederkehrenden Traums sah Sandy jedesmal seinen eigenen Kopf, der an der Wand in Fort Byrne zwischen einem Elch und einem riesigen Bären angebracht war. Regelmäßig erwachte er zitternd und schweißgebadet, und unter seinen abgetragenen Decken war ihm tödlich kalt.
Aber es waren die anderen Träume, die ihm Angst machten, diejenigen, die nicht gewöhnlich waren. Er konnte sie jetzt erkennen, dachte er. Er konnte den Unterschied zwischen den Visionen spüren, die von seinem eigenen aufgewühlten Unterbewußtsein heraufbeschworen wurden, und denen, die ihm irgendwie von Edan Morse geschickt wurden. Diese anderen Träume hatten etwas Fremdartiges an sich. Sie waren lebhaft und fiebrig, immer prall farbig und doch weniger chaotisch als seine eigenen Träume.
Er träumte viel vom Krieg. Er war nie im Krieg gewesen, hatte den Krieg nie kennengelernt, aber die Träume kamen ihm sehr real vor. Er war in Vietnam, und die silbernen Düsenbomber kreischten über ihm dahin, und das Napalm kam herunter, und er spürte dessen sengenden Kuß an seinem Körper, es brannte, brannte, eine Qual, die die halbe Nacht dauerte. Er war eine Nonne in El Salvador, und die Todesschwadronen kamen, und sie vergewaltigten ihn wieder und wieder, zwangen ihn zur Sodomie, nahmen ihn gleichzeitig zu zweit und zu dritt, Mund, Anus, Vagina, bis sie schließlich Messer herausholten und den kalten Stahl überall dort hineinstachen, wo ihr Fleisch gewesen war. Er war irgendwo im Mittleren Osten, arbeitete auf einem Ölfeld, und die Fallschirmjäger kamen herab, und er packte ein Gewehr und versuchte zu kämpfen, aber er war ein Ingenieur und kein Soldat, und er bekam eine Kugel direkt in den Bauch, und es dauerte Stunden, bis er starb.
Aber es gab auch schöne Träume. Manchmal war es Ananda, die in der Nacht zu ihm kam; ihre dunklen Augen leuchteten, und ihre weiche braune Haut glänzte vor Öl. Sie lächelte ihn an und bestieg ihn und tat Dinge mit ihm, die man nur in Träumen tun kann, bis die Dämmerung kam und er aufschrie und auf feuchten, befleckten Laken erwachte.
Und immer träumte er von der Musik. Sie war bei ihm, ob er wachte oder schlief. Die Nazgûl in einem Saal so gewaltig wie die Nacht, die kaputten Menschen, die tanzten, die gelben Augen über ihnen, seine Warnungen ungehört im lauten Beat des Rock, Gopher John brennend, Maggio verfaulend, Faxon mit klaffenden Schnittwunden und blutend, und Hobbins wie ein Besessener kreischend und sich krümmend, und hinter ihnen die dünne, blutende Frau an dem großen xförmigen Kreuz, die zunehmende Dunkelheit, die Luft voll von Angst und Sex und Freude und dem metallischen Geschmack von Blut. Jedesmal, wenn der Traum kam, war das Gefühl einer schrecklichen, drohenden Gefahr stärker, bis er schließlich eines Nachts im April den Traum träumte und zu dem Laut seines eigenen Schreis aufwachte. Schweißfeucht und hyperventilierend setzte er sich in der Dunkelheit auf und dachte: Irgendwas stimmt nicht. Der Traum war unerträglich gewesen. Er konnte die Musik noch hören; melancholisch und voller Bedrohung, als ob ein Sturm aufzog, die Gitarren voll Pein, der Rhythmus der Drums fast kriegerisch, genug, um ihm das Blut im Kopf rauschen zu lassen. Weit weg auf einer dunklen Ebene sammelten sich die Armeen, gut und böse. This is the day we all arrive at, sang Hobbins, this is the day we choose. Der Rhythmus wurde schneller, die Schlacht begann, Armageddon, der große Sturm, Soulstorm hieß es im Text, und die vier Nazgûl wurden eins, Kill your brother, kill your friend, kill yourself! Eine Zeile im Rag prophezeite: All dead look just like you. Und sie kämpften weiter. Tot oder lebendig, das war am Tag Armageddon ohne Bedeutung.
Wie lange saß er im Dunkeln und wartete, daß die Musik verklang. Wie lange saß er schwer atmend da und versuchte, sich zu beruhigen. Wie lange saß er
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