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Armegeddon Rock

Armegeddon Rock

Titel: Armegeddon Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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vereinzelte Tagungsteilnehmer und Personal der Luftverkehrsgesellschaften und müde Reisende. Das einzige Geräusch war das Summen des Fahrstuhls weiter weg um die Ecke.
    Er schob die Hände tief in seine Jackentaschen und ging auf das Geräusch zu, drückte den Kopf und wartete. Schließlich kam der Aufzug. Als die Türen aufgingen, ließ ihn eine alte Erinnerung, ein Instinkt, zurückscheuen. Aber im Inneren war nichts. Er betrat ihn und fuhr hinunter ins Foyer.
    »Ich möchte ein anderes Zimmer«, erklärte er dem Portier. Er reichte ihm seinen Schlüssel. »Hier«, sagte er. »Lassen Sie meine Sachen von einem Pagen rüberbringen. Ich mache einen Spaziergang. Den neuen Schlüssel hole ich mir, wenn ich zurückkomme.«
    Der Portier nickte höflich und unverbindlich. »Ja, Sir. Waren Sie mit Ihrem Zimmer nicht zufrieden?«
    »Ich möchte nicht im fünfzehnten Stock bleiben«, sagte Sandy. »Ich möchte auf ein anderes Stockwerk.«
    »Sie haben dieses Stockwerk verlangt«, betonte der Portier. Er war ein älterer Mann, schmächtig und steif, und sein dünn werdendes Haar war sorgfältig zurückgekämmt. Er hatte dunkle Augen, in denen Mißbilligung stand.
    »Ich war schon mal dort«, murmelte Sandy und wandte den Blick ab. Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. »O Gott, ja, ich war schon mal dort.«
    »Ja, Sir. Wann war das, Sir?«
    Sandy sah ihn an und fragte sich, ob er damals im Hilton gearbeitet hatte, ob er in dieser Nacht Dienst gehabt hatte. »Das wissen Sie«, sagte er. »Das wissen Sie ganz genau. Da, wo die Einsatzleitung war. Das Hauptquartier war oben im 23. Stock, das weiß ich noch, oben, wo Gene war, aber der fünfzehnte war auch unsrer, im fünfzehnten war die Einsatzleitung, und da sind sie auf uns losgegangen.«
    »Ihr habt mit Sachen rumgeworfen«, sagte der Portier, und es sah merkwürdig aus, wie er redete, ohne die Lippen zu bewegen. »Ihr habt mit Aschenbechern geworfen, mit Beuteln voll Urin und mit menschlichen Exkrementen. Ihr habt Sachen aus den Fenstern geworfen. Geschah euch recht.«
    »Nein«, sagte Sandy. »Lügen, alles Lügen. Ich war dabei, lieber Gott, ja. Niemand hat irgendwas geworfen, wir nicht. Es war eine gottverdammte verfluchte Lüge, hören Sie?« Aber der Mann blickte ihn an, grinste ihn an, verhöhnte ihn hinter diesem höflichen Lächeln. Sandy war übel. Er wirbelte herum, schwankte durch das Foyer auf die Tür zu und fühlte sich gehetzt und gejagt. Das Foyer war voll von gesichtslosen blauen Schatten und maskierten Gardisten, und sie starrten ihn an, als er vorbeikam. Stolpernd und nach Luft schnappend rannte er zwischen ihnen hindurch.
    Die Michigan Avenue war leer, soweit das Auge reichte. Sandy lehnte sich an die Wand des Gebäudes und sah auf die Uhr. Es war halb fünf. Über die Straße war die finstere, drohende Leere des Grant Park, eine riesige dunkle Fläche aus braunem Gras und Beton unter den glänzenden Seilhängen der Gebäude am Parkrand. Er ging Richtung Michigan und Balbo, von etwas getrieben, das er nicht ausdrücken konnte.
    Die Gespenster waren auch dort. Sandy blieb stehen.
    Er zitterte in der kalten Oktoberluft und dem Wind vom See her. Er erinnerte sich an eine andere Nacht, eine heißere Nacht, warm und schwül, wo die leiseste Brise eine willkommene Erleichterung war. Überall um ihn her regten sich Phantome und nahmen schimmernd und unwirklich Gestalt an. Die Armeen der Nacht, dachte er. Und da waren sie. Auf der einen Seite der Straße war eine unordentliche, farbenfrohe, spottende Masse von Kindern, mit Fahnen und Spruchbändern und Blumen und Slogans bewaffnet. Sie sind alle so, jung, dachte Sandy und erinnerte sich, wie anders, wie ganz anderes es ihm damals vorgekommen war. Da waren keine Gesichter, nirgends Gesichter, nur verschwommene Flecken, Bilder und Embleme. Junges blondes Haar, das sauber und schimmernd über unzählige schmucke Busen wallte. Ausgeblichene, verschlissene Jeans mit Blumenflicken, Stirnbänder. Aufkleber, Omabrillen, rückenfreie T-Shirts, Paisley-Hemden, ausgestellte Hosen, Armreifen, Stirnbänder. Yippies und Hippies und Mobe-Leute {4} und Clean for Gene. Sich bei den Händen haltend. Singend. Skandierend. Lippen, die sich stumm bewegten. Die vorderste Reihe bestand nur aus jungen Frauen, hübschen jungen Frauen, Mädchen eigentlich, und undeutlich sah er die Ordner, die sich durch die Menge schoben, und hörte sie sagen: »Chicks nach vorn, laßt die Chicks nach vorn. Bleibt ruhig. Bleibt ruhig.« Alles

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