Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Armegeddon Rock

Armegeddon Rock

Titel: Armegeddon Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
Vom Netzwerk:
Sandy hörte wieder die Ordner rufen und in ihre Megaphone sprechen. »Hier sind Leute verletzt worden«, brüllten sie, und sie brüllten auch etwas vom Sanitätszentrum, und Kids mit weißen Sanitäterarmbinden knieten über den blutenden und übel zugerichteten Opfern. Einige der Fahnen waren zu Boden gefallen, und eine Menge Gesichter waren jetzt rot, rot von Blut, rot vor Wut, rot vor Zorn, der über Jahre hinweg anwachsen würde. »Bleibt ruhig«, sagten die Ordner, und Sandy sah sich selbst, so gottverdammt schmerzhaft jung, daß er gerade ein Jackett trug, nur Clean for Gene, dunkles Haar, das jetzt zerzaust, aber einmal sorgfältig gekämmt gewesen war, dermaßen verwirrt, so war das nicht gedacht gewesen, nein, nicht so, der Glaube wich bereits, das Vertrauen, daß Wahlen etwas bedeuteten, statt dessen kam der Zorn. »Bleibt ruhig«, rief er, eine so junge Stimme, wie alle anderen Ordner. »Eine Menge Leute sind verletzt, bleibt ruhig«, und so weiter, aber dann wurden die Worte übertönt und verschluckt. Er hörte den Sprechchor wieder, der durch all die Jahre hallte. Geisterstimmen, Hunderte und Tausende von Geisterstimmen, vereinigten sich zu einem gewaltigen Aufschrei. »The Whole World is Watching, the Whole World is Watching, the Whole World is Watching, the Whole World is Watching, the Whole World is Watching.« Wieder und wieder und wieder und wieder, lauter und lauter und lauter und lauter.
    Und dann zersplitterte und zerbrach die kleine Waffenruhe wie ein von einer Kugel getroffener Spiegel, der Spiegel, der das Gesicht einer Generation festhielt, und als er splitterte, wurde das Gesicht verzerrt und gebrochen und nie wieder heil. Die blauen Schatten kamen vorwärts gerannt, und im Windzug ihres wilden Angriffs wurde die Kerze der Vernunft für Jahre ausgeblasen. Die Knüppel kamen hoch und fuhren krachend nieder, und die Schlacht begann. Sie schlugen auf alles ein, auf jeden, auf diejenigen, die den Sprechchor auf den Lippen hatten, und auf diejenigen, die still waren, auf diejenigen, die sie verhöhnten, und auf diejenigen, die sie anflehten, auf diejenigen, die zurückschlugen, und auf solche, die rannten, und auf die, die sich duckten. Sie knüppelten auf die Kids und die alten Damen und die Arbeiter in ihren Arbeitsklamotten ein, auf die Ordner und die Sanitäter, die Verletzten auf den Straßen und die fauchenden Durchgedrehten, auf diejenigen mit Presseausweisen, die sie wie nutzlose Schilder hochhielten, auf diejenigen hinter den Kameras, auf die Kameras selbst, auf die Männer und Frauen und Jungen und Mädchen, sie schlugen auf alles ein, was sich bewegte, und die Welt zerfiel in Schreie und rennende Füße und Fäuste und das Klatschen der Gummiknüppel und das Knirschen brechender Knochen. Mitten auf der Kreuzung stand Sandy, die Hände an den Seiten, und sah zu, wie es noch einmal passierte. Seine Hände waren zu hilflosen Fäusten geballt. Überall um ihn her rannten Gespenster, eines stürzte direkt durch ihn hindurch, und er hatte das scheußliche, ekelhafte Gefühl, daß er das Phantom war. Er sah sein jüngeres Ich in ein Walkie-Talkie brüllen, sah, wie es ihm aus den Händen geschlagen wurde, sah den Gummiknüppel niedersausen, sah, wie er sich duckte und im Zickzack wegrannte. Maggie stoplperte vorbei, helles Blut tropfte aus ihrer gebrochenen Nase, ihre Bluse war zerrissen, sie grinste und hielt einen Gummiknüppel hoch, den sie irgendwie ergattert hatte. Sie umringten sie und nahmen ihn ihr weg, und Sandy sah die Knüppel auf und ab fahren, und sie verschwand. Die ganze Welt sah zu, dachte er. Er schaute auf, und in den erleuchteten Fenstern über der Straße glaubte er Gesichter sehen zu können, eine Reihe an der anderen, die auf das Gemetzel herabblickten, das unten durch die Straßen dieser dahintappenden Stadt wirbelte und kreischte. Und über den Häusern waren die Sterne, eine Million, Millionen Sterne. Sandy starrte sie an, und während er das tat, wurde jeder Stern zu einem Auge. Der Himmel war voll von geschlitzten gelben Augen, kalten und feindseligen Augen, Augen, die den Aufruhr in der Nacht in sich hineintranken.
    »NEIN!« schrie Sandy. Er duckte sich und schützte sich zitternd mit den Armen.
    Wie lange er so dastand, konnte er nicht sagen. Aber schließlich verging die Angst. Zögernd senkte er die Arme. Die Sterne waren nur Sterne. Er konnte den Orion sehen. Die Nacht war kalt, der Wind wehte, und die Straßen von Chicago waren leer.
    Natürlich waren sie

Weitere Kostenlose Bücher