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Armegeddon Rock

Armegeddon Rock

Titel: Armegeddon Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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eben Schuhe und Socken anziehen. Um diese Zeit bin ich für gewöhnlich noch nicht in Gange. Normalerweise stehe ich so gegen Mittag auf.«
    »Keine Eile«, sagte Faxon. Er trat in das Zimmer, um zu warten. Die Jahre schienen fast spurlos an ihm vorübergegangen zu sein. Er hatte immer noch lange Haare, obwohl die blonden Locken einer Art zotteliger Prinz Eisenherz-Frisur gewichen waren, die sein langes, ruhiges Gesicht umrahmte. Sonnengebleicht, golden und glatt, sahen Faxens Haare feiner und heller aus, als Sandy sie in Erinnerung hatte. Sein Pony ging fast bis zu seinen verblüffend grünen Augen. Er hatte jetzt winzige Falten um die Augenwinkel herum vom zu häufigen In-dieSonne-Blinzeln, und die tiefe, dunkle, abgelagerte Bräune eines Mannes, der jede Menge Zeit im Freien verbracht hat. In dem blauen Cambrai-Arbeitshemd, alten Flickenjeans und der schiefen Jeansmütze sah er fit und gut in Form aus. Eine große Schnalle in Türkis und Silber schmückte seinen verschlungenen, handgearbeiteten Gürtel. Blond und auf typisch amerikanische Art gutaussehend, schien Faxon einer von denen zu sein, die sich bei Surfrock oder Cowboy-Balladen eher heimisch fühlen als bei dem harten, treibenden Rock der Nazgûl. Damit täuschte er die Leute. Faxon schien nie so recht zu den anderen dazugehört zu haben, aber in Wahrheit war er das kreative Gehirn der Gruppe gewesen; ein meisterhafter Musiker und ein brillanter Songwriter.
    Sandy zog seine Stiefel an, stand auf und streckte ihm die Hand hin. »Danke jedenfalls, daß du mich aufgesucht hast«, sagte er. »Ich hatte nicht damit gerechnet, daß du wegen mir nach Albuquerque runterkommst. Ich hoffe bloß, ich bin schon soweit beisammen, daß ich ein paar passable Fragen stellen kann. Wie zunächst mal, wohin fahren wir und warum?«
    Faxon lächelte. »Wir fahren in die West Mesa rauf«, sagte er. »Komm, wir sind spät dran.«
    In dem unbestimmten Licht vor der Dämmerung war der Parkplatz geisterhaft still. In der Luft lag eine Spur Kälte, und eine ganz leichte Brise wehte. Faxon ging um einen großen rotweißen Blazer herum zur Fahrerseite. Sandy stieg beklommen gleich nach ihm ein. »In die West Mesa?« fragte er, als Faxon die Scheinwerfer einschaltete und zurücksetzte.
    »Mach dir keine Sorgen«, erwiderte Faxon. »Der Kerl mit der Knarre ist längst weg.«
    Die Straßen von Albuquerque waren zu dieser Zeit am Morgen fast leer. Ein zerbeulter Ford-Pick up war etwa einen Block hinter ihnen; Sandy bemerkte ihn, als er sich umdrehte, um die Dämmerung über den Sandias im Norden und Osten anbrechen zu sehen. Einmal erhaschten sie an einer Kreuzung einen flüchtigen Blick auf einen anderen Wagen, aber das war es dann. Alles war leer und still und doch irgendwie auch sehr lebendig. Als die Dämmerung hereinbrach, schienen die Straßenlampen und Scheinwerfer zu verblassen. Es war eine seltsame, berauschende Stunde.
    Sie fuhren nach Westen, aus der Stadt heraus. Nach einer Weile ging es bergauf; die Häuser wurden weniger und die Abstände zwischen ihnen größer. Die Straßenlampen gingen aus. Faxon bog einmal und noch einmal auf Straßen ab, die immer schmaler wurden. Sandy schaute zurück und sah denselben Pick up hinter ihnen. Während er ihn beobachtete, gingen seine Scheinwerfer aus. »Du wirst verfolgt«, sagte er.
    »Ich weiß.« Faxon lächelte. »Meine Familie.«
    Sandy war verwirrt, wenn auch ein wenig erleichtert. »Was ist los?«
    »Du wirst schon sehen.«
    Sie waren jetzt in der West Mesa selbst. Das Land war flach und trocken und staubig. Unbefestigte Straßen liefen durch weite, öde Felder, abgemäht und leer, und zwischen Stacheldrahtzäunen hindurch. Die Vegetation war spärlich; Pinonsträucher, ein paar Wacholderbäume, stopplige kleine Kakteen. Vertrocknetes braunes Steppengras wehte über die Straße. Faxon fuhr unbekümmert darüber hinweg. Der Blazer wirbelte während der Fahrt eine Staubwolke auf, die den Pick up hinter ihnen verbarg. Sandy sah aus dem Fenster und erinnerte sich. Hier war es passiert. Irgendwo in dieser Ödnis hatte ein Heckenschütze Patrick Henry Hobbins mit dem Fadenkreuz anvisiert, und alles war zu einem Ende gekommen. Hier: hier war die Musik gestorben, war der Traum zum Alptraum geworden. Aber nichts sah vertraut aus. Die Wohnwagen und die Bühne waren die Markierungspunkte mitten in einem Meer von sechzigtausend Menschen gewesen. Alles fort. Alles, was übrigblieb, war unberührte, hochgelegene, öde Leere, und es gab keine

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