Arminius
Tag der Freiheit anbrechen sollte, musste er sich von nun an eifrig in der Kunst der Täuschung üben, Gerwulf und Hebans Vater, der Semnonenfürst Randulf, übernahmen die gefährliche Aufgabe, die Hilfstruppen auf den König einzuschwören, den auch die Krieger nicht kannten, denn nur so konnte Arminius unter allen Umständen vor Verrat geschützt werden. Nur wenige kannten die Identität des Königs der Krieger. Deshalb durfte er bei keiner einzigen heimlichen Besprechung persönlich in Erscheinung treten.
In Nehalenias Hütte erzählte Elda unterdessen den Frauen von ausgewählten Gefolgsleuten von Arminius’ Plan, die dann die Kunde verbreiteten. Arminius hatte versucht, Elda davon abzuhalten, sich in eine so große Gefahr zu begeben, aber wer konnte ihr etwas verwehren, das sie sich fest vorgenommen hatte? Nicht einmal er – und in diesem Falle, er schon gar nicht! War sie denn nicht die Königin der Krieger? Wollte man die Germanen gewinnen, so musste man ihre Weiber überzeugen.
In den heimlichen Zusammenkünften wies sie gern auf ihren täglich runder werdenden Bauch. »Sollen unserer Kinder etwa Sklaven und Diener der Römer werden? Ziehen wir sie dafür groß, dass die Hundsgroßen ihren Fuß auf ihre Nacken setzen und ihre Steuerpächter sie aussaugen?«
Elda sprach klar und aufrüttelnd zu den Fürstinnen. Es bedurfte auch keiner großen Redekunst, um sie zu überzeugen, denn sie alle erlebten täglich, wie sich die Herrschaft der Römer immer sicherer und selbstbewusster bis zur Albia hin erstreckte und festigte. Durch das Gesetz, das Varus an der Spitze seiner Legionen in jeden Winkel Germaniens brachte, forderten die Römer immer häufiger und immer selbstverständlicher Abgaben von ihnen, und sie wurden um das geprellt, was sie sich hart erarbeitet hatten. Denn Augustus benötigte Geld für das Heer, Varus brauchte Geld, um seinen Reichtum zu mehren, Marcus, um im Prunk zu leben, und Segestes und einige andere ebenso ehrgeizige wie rücksichtslose germanische Fürsten, um Stammeskönige zu werden. Für Machtgier und Luxuswahn wurden nicht wenige Söhne und Töchter in die Sklaverei verkauft, dafür, dass Roms Volk sich bei kostenlosen Spielen vergnügen und von kostenlosen Getreidezuwendungen ernähren konnte. Für das Wohlleben in der Hauptstadt wurden ganze Familien in den Hungertod getrieben.
Arminius und andere Stammesfürsten siedelten so viele von den vertriebenen Sippen, wie es die Größe ihres Besitzes eben zuließ, auf ihrem Land an, damit sie dort erst einmal Heimat und Zuflucht fanden. Ewig ließ sich das natürlich nicht durchhalten. Andere Unglückliche, denen bereits drohte, in die Sklaverei verkauft zu werden, versuchte man, auf geheimen Pfaden in der Nacht zur Albia zu bringen, um sie bis zum Tag des Aufstandes auf der anderen Seite des Flusses in Sicherheit zu bringen. Die Väter und Söhne übten sich unterdessen im Waffenhandwerk, und die Mütter und Töchter halfen in der Wirtschaft ihrer Gastgeber, sammelten Eisenerze und packten tatkräftig bei der Verhüttung und beim Schmieden von Waffen mit an.
Indessen milderte nur die Gewissheit, dass er, sobald das Land bis zum Albis als Provinz gesichert war, über den großen Strom setzen und dort alle Stämme der Germanen unterwerfen würde, den Zorn des Statthalters über die freche Flucht seines ›Eigentums‹. Das war in seinen Augen nur eine Frage der Zeit, eine kleine Weile noch, dann würde er auch den Barbaren jenseits des Albis die römische Kultur zu fressen geben.
Gleichzeitig entstand durch die vielfach geleistete Hilfe unter den germanischen Stämmen in dieser Zeit ein zweites Netzwerk, das eines Tages nicht nur den Bedrohten helfen würde, sondern auch als Nervenbahn des Aufstandes genutzt werden konnte.
Und in all dieser aufreibenden Arbeit, in den Vorbereitungen des Aufruhrs, der Abwehr gegen Verräter, der Hilfe für bedrängte Menschen, fand sich Arminius eines Tages vor der Hütte Nehalenias wieder. Sein ganzes Denken und Fühlen richtete sich einzig und allein auf ein ausschließlich privates Ereignis, so als fände die große Verschwörung, die Vorbereitung auf den Freiheitskrieg um ihn herum gar nicht statt, nämlich auf die Geburt seines Kindes. Aufgeregt und ruhelos ging er auf und ab, derart gefesselt von Sorge und Erwartung, dass die Zeit stillzustehen schien. Kaum wagte er noch zu atmen, aus Furcht, sein Herz könnte stehen bleiben. Der Abend dämmerte herauf, doch Zeit verging nicht.
Auf einem
Weitere Kostenlose Bücher