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Arminius

Arminius

Titel: Arminius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Zweig der Eiche ihm gegenüber ließ sich ein Eichelhäher mit seinem stolzen grau, weiß, blauen Gefieder nieder, als wollte er mit Arminius darauf warten, dass das Kind auf die Welt kam. Nie im Leben hatte Arminius eine solche Angst empfunden wie jetzt, da Elda kreißte. Immer, wenn er ihren Schmerzensschrei hörte, stürzte er zum Eingang der Hütte, doch Ansar, der Nehalenia zur Hand ging, trat ihm beherzt entgegen und bat ihn, sich noch etwas zu gedulden. Wie lange denn noch, brauste die Frage in seinem Inneren, die er indes nicht zu stellen wagte. Seit Sonnenaufgang wartete er nun schon hier und hatte inzwischen tiefe Furchen im Waldboden des Vorplatzes gezogen. Weder gegessen, noch getrunken hatte er, sich auch nicht hingesetzt, so sehr fürchtete er, dass Elda etwas zustoßen könnte, ihr oder dem Kind oder beiden. Das ständige Auf-und Abgehen hatte ihn mittlerweile in eine Trance versetzt, die ihn in einen Kokon spann und so davor bewahrte, vor Aufregung zu zerspringen.
    Immer wieder wanderten seine Gedanken zu seiner Mutter und seinem Vater. Tränen traten ihm in die Augen – zum ersten Mal seit dem Tag, an dem er ihre Leichen entdeckt hatte. Die Gefahren der Geburt ließen ihn deutlicher als je den Verlust der Eltern empfinden. Bisher hatte er wie betäubt gehandelt, war der Schmerz abgeprallt von der Spannung des Schocks, den er erlitten hatte. In seiner Angst um Elda bahnte sich nun der bislang verdrängte Schmerz über das Sterben seiner Eltern den Weg in sein Bewusstsein. Plötzlich war er verwundbar. Er betete zu den Göttern, und dann wagte er es sogar, ihnen zu drohen, denn den zweiten Todesgriff mitten in sein Herzen hinein würde und wollte er nicht überstehen. Aber wer, welcher Mensch und welcher Gott hätte ihm diesen Frevel verübeln mögen? Sein ganzes Wesen war in diesen Stunden Angst, Angst um sein Leben, denn sein Leben, das waren nun sie, Elda und das Kind, das sie in diesen Stunden zur Welt brachte.
    Der Eichelhäher rief und erhob sich in die Lüfte. Gleich darauf drang ein beleidigt klingender, heller, doch kräftiger Schrei an sein Ohr. Er stürmte in die Hütte. Niemand konnte ihn mehr aufhalten, kein Ansar und keine Nehalenia. Da lag sie auf dem Stroh, Elda, verschwitzt und ermattet, und doch mit einem Lächeln in den blauen Augen, das den Himmel neidisch gemacht hätte, die allerschönste Frau der Welt, seine Frau. An ihrem Busen suchte ein kleiner Mensch, der gerade seine behagliche Wohnung im Körper seiner Mutter verlassen hatte, sich auf dieser kalten, allzu hellen und entschieden zu lauten Welt zurechtzufinden.
    Nehalenia trat zu dem frischgebackenen Vater: »Es ist ein Mädchen.«
    »Und Elda?«
    »Geht es gut.« Endlich breitete sich wohltuend Gelassenheit in ihm aus. All die tausend Krämpfe, die jede Faser seines Leibes mit unzähligen eisernen Fingern umklammert gehalten hatten, lösten sich auf. Ihm war, als ob er seit Stunden den ersten Atemzug tat. Fast trunken machte ihn nun die einfache Luft, und er fürchtete schon zu taumeln. Aber da beobachtete er, wie das Mündchen seiner kleinen Tochter zielstrebig die Brust der Mutter suchte und trank. Wie schön sie ist, dachte er und gleich darauf, wie schön sie sind. Er kniete sich zu Elda und streichelte ihr Haar. »Ich liebe euch.«
    Sie lächelte schwach. »Das musst du auch!«
    All das Elend der Welt, der tägliche Kampf, die Vorsicht, die Härte und die Sorgen fielen von ihm ab. Nur diese beiden Menschen zählten für ihn. Es war, als sei er aus der Zeit gefallen.
    »Wie wollt ihr eure Tochter nennen?«, fragte Nehalenia.
    »Lenia«, antworteten beide. Ein Lächeln huschte über die Lippen der weisen Frau. Dann schickte sie Arminius mit den Worten, es gäbe ja noch einige Frauenarbeit zu verrichten, aus der Hütte und empfahl ihm, eine Weile durch den Wald zu laufen, um einen klaren Kopf zu bekommen.

    Einen Monat später kehrten Elda und Arminius mit der kleinen Lenia nach Aliso zurück. Die Krieger jubelten, und die Priester und die Anführer, die eingeweiht waren, hielten das für ein gutes Vorzeichen, dass die Ehe des Königs gesegnet war. Sie merkten gar nicht, wie die Zeit verflog, vollkommen vereinnahmt von der Planung des Aufstandes und der täglichen Sorge um das Kind. Obwohl sie todmüde waren, blieben sie nachts lange wach, um sich, eng aneinandergeschmiegt, ihre Tochter anzuschauen. Wenn Lenia dann wach wurde und mit ihrer feinen, durchdringenden Stimme vor Hunger schrie, nahm Elda sie liebevoll an die

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