Arminius
niedergemetzelten Verwandten zu tun?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Du bringst sie doch ständig mit meinem Trauerfall in Verbindung. War Varus im Cheruskerland? Welchen Auftrag hatten seine Leute? Wenn sie sich in der Nähe befanden, wie du mir zu meinem Erstaunen mitteilst, weshalb haben sie dann meine Eltern nicht beschützt? Unmöglich, dass ihnen eine so große Rotte von Bewaffneten entgangen wäre! Oder waren sie es am Ende selbst, die jene wehrlosen Menschen überfallen haben? Das kann aber, das will ich nicht glauben, dass Varus’ Soldaten mir Vater und Mutter töteten! Aber wenn doch, warum? Auf wessen Befehl haben dann deine Männer getötet, Varus?«
Entsetztes Schweigen breitete sich aus.
»Wie kommst du dazu, meine Prätorianer zu verdächtigen?«, entfuhr es Varus ärgerlich.
In der eintretenden Pause, in der Arminius abwog, ob es besser sei, sich zu verteidigen oder weiter anzugreifen, sprang Velleius ihm zur Seite. »Nicht er, Lucius Marcus Lupus, sondern du vermengst einen Fall mit einem anderen, und wir alle hier fragen uns, weshalb du das tust. Wir verstehen nicht, was die verschwundenen Prätorianer mit den ermordeten Menschen zu tun haben. Klär uns bitte auf«, sagte der Legat.
Arminius schaute ihn dankbar an.
»Das will ich auch wissen«, forderte Varus streng, um die Leitung des Gerichtes wieder in seine Hand zu bekommen, die ihm zu entgleiten drohte, wie scheinbar immer, wenn der zum Ritter erhobene Germane anwesend war.
Das Gesicht des Steuerpächters war wutverzerrt. Marcus spürte, dass er sich verrannt hatte.
»Liegt es nicht nahe, wenn zwei so schwerwiegende Ereignisse in unmittelbarer Nähe stattfinden, einen Zusammenhang zu vermuten?«, sagte Arminius ruhig. Sein Gegner hatte sich in seinen Intrigen und seiner Arroganz verstrickt. Nun konnte er ihm zum Schein beispringen, um ihn zu Fall zu bringen. »Verehrter Varus, da ich heute zum ersten Mal davon erfahren habe, dass unweit des Hofes meines Vaters eine halbe Hundertschaft Prätorianer unterwegs war, würde ich gern wissen, welchen Auftrag sie hatten. Denn Marcus hat recht, es ist in der Tat seltsam, dass der Tod meiner Eltern und das Verschwinden der Prätorianer eine zeitliche und örtliche Nähe aufweisen. Wenn wir diese also finden und befragen, könnten wir vielleicht mehr über die schreckliche Bluttat an meiner Familie erfahren. Die Natur ihres Auftrages führt zum Grund ihres Verschwindens, wie uns auch der aufsteigende Rauch die Lage des Feuers verrät.« Arminius bereitete es mehr und mehr ein grimmiges Vergnügen, den Spieß einfach umzudrehen.
»Darüber kann ich nicht öffentlich sprechen«, verkündete Varus. »Geheime Staatsangelegenheiten. Aber deiner Klage wird stattgegeben, und ich werde jemanden einsetzen, der die Mörder findet. Bis dahin, mein lieber Julius Cäsar Arminius, nimm mein tief empfundenes Mitgefühl entgegen für die grausige Tat, die ohne Zweifel nach Vergeltung schreit.«
Arminius senkte rasch den Kopf, damit niemand das kalte Blitzen des Triumphes in seinen Augen bemerken konnte, das ihn verraten hätte. Gefasst schaute er wieder auf und bedankte sich bei dem Statthalter. Dann verließ er das Forum.
Die Verhandlung hatte ihm bestätigt, dass Marcus im Bündnis mit Segestes die ungeheuerliche Tat ausgeheckt und dass Varus davon gewusst, sie zumindest billigend in Kauf genommen hatte. Er brannte darauf, ihnen die Eingeweide herauszureißen. Aber dafür war es noch zu früh. Für die kurze Genugtuung der Rache hätte er seine Aufgabe verraten. Es ging um Größeres. Noch also musste die Vergeltung warten, aber sie würde dafür nur umso vollkommener ausfallen.
Dem dritten Schuldigen, Segestes, sollte Arminius schon bald auf dem Thing begegnen. Sie saßen im Kreis um die Irminsul, die Priester und Gefolgsherren der Cherusker. Segestes kochte vor Wut. Die Priester führten Arminius in die Rechte seines Vaters ein, die nun auf ihn übergingen. Die Zeremonie war kaum beendet, da klagte Segestes ihn auch schon an: »Er hat meine Tochter geraubt. Ich fordere, dass er verstoßen wird!«
Ein paar Fürsten unterstützten ihn, die meisten aber blickten zurückhaltend bis feindselig, denn sie empfanden es als unpassend, gegen den jungen Mann, der auf so grausame Art seine Familie verloren hatte, Klage zu erheben, statt seine Wunden durch Mitgefühl zu lindern. Ingoumer sprang auf, um seinen Neffen in Schutz zu nehmen, aber dieser gab ihm durch ein Zeichen zu verstehen, dass er seine
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