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Arminius

Arminius

Titel: Arminius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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hatte, den todkranken Vater auf dem Rückmarsch in den letzten Tagen zu meiden, statt die kostbare Zeit zu nutzen, die ihnen die Schicksalsgöttinnen noch zugebilligt hatte. Doch woher hätte der Knabe wissen sollen, was Ewigkeit und Endgültigkeit bedeuten und womit er es in diesen unglücklichen Tagen zu tun bekam? Er erstarrte in einer grenzenlosen Verzweiflung, die ihn im Angesicht der Trennung wie ein schweres Tuch zu ersticken drohte. In dieser Reglosigkeit fühlte er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter, schwerer und größer als die seiner Mutter, eine Hand, die ihn hielt.
    Julius blickte sich um und erkannte seinen Onkel Tiberius, der, obwohl er neben ihm stand, weit entfernt wirkte. Der Feldherr sah dem Knaben fest in die Augen und befahl dem Legaten Galerius knapp, ihm den besten Hundertschaftsführer des Heeres zu bringen. Wenig später kehrte der Legat mit dem Mann zurück, der Julius damals aufs Pferd gehoben hatte und mit ihm zur Spitze der Marschkolonne geritten war. Tiberius musterte den Centurio kurz, dann fragte er ihn nach seinem Namen.
    »Lucius, Imperator!«
    »Gut, Lucius, du kannst dir ein Landgut in Latium im Wert von zehntausend Sesterzen verdienen. Willst du das?«
    »Ja, Imperator.«
    »Dann säume nicht! Nimmt dir ein paar Soldaten und pflanze das Siegeszeichen des Drusus, sein tropaeum, an den Ufern der Albis auf. Und verrate niemals, wenn dir dein Leben lieb ist, dass du es aufgestellt hast. Ich will, dass für heute und bis ans Ende aller Tage jeder weiß, dass mein Bruder als Sieger von der Albis zurückgekehrt ist, dass er dort das Siegeszeichen aufgerichtet hat, weil er Germanien bis zu dem Strom unterwarf, Roms bester Feldherr und kühnster Mann. Verstehst du, Centurio?«
    »Verlass dich in allem auf mich, Imperator. Ich werde beschwören, dass Nero Claudius Drusus das tropaeum an der Albis aufgestellt und die Barbaren unterworfen hat. Und jeden, der es wagen sollte, das Gegenteil zu behaupten, reiß ich mit meinen eigenen Händen das Herz aus dem Leib! So wahr meine Name Lucius ist, werde ich schnell wie ein Hecht im Rhenus sein, um deinen Wunsch zu erfüllen!« Der Centurio salutierte, dann strebte er energisch fort.
    Dankbar schaute der kleine Julius auf seinen Onkel, weil dieser das Ansehen des Vaters aufrechterhielt. Er liebte ihn dafür, dass Tiberius an seinen Vater glaubte, während Julius an ihm gezweifelt hatte und ihm in seinen letzten Tagen und Stunden ausgewichen war, anstatt ihm beizustehen, mit dem Einzigen, was er zu geben hatte und was doch so wertvoll war, mit Sohnesliebe.
    In diesem Augenblick schwor Julius dem Onkel ewige Treue. Und noch eines nahm er sich vor: zu keiner Zeit Unsicherheit oder Skepsis gegenüber der Wahrheit zuzulassen, dass sein Vater Germanien unterworfen hatte.

8
    Immer noch kam ihm alles wie ein böser Traum vor. Er sehnte sich danach, dass die Mutter endlich am Arm rütteln und mit ihrem lauten Lachen den Alb verscheuchen würde. Wie oft hatte er ihren nur allzu hellen und zwingenden Weckruf »Aufstehen, du Siebenschläfer!« verflucht, doch jetzt wünschte Ergimer ihn geradezu herbei. Vergeblich, es war ja kein Traum – er stand wirklich mitten in diesem Römerlager. Der Tag brach gerade erst an, es war empfindlich kühl, und seine Beine schlotterten.
    Die Morgenluft legte sich wie ein feuchtes Tuch um die Gestalten. Die sieben germanischen Kinder wirkten verwaist und verloren, wie sie da, bewacht von zehn Legionären, auf der großen Straße in den Schwaden des Morgennebels vor dem Hauptgebäude des Lagers auf den Abmarsch in eine ungewisse Zukunft warteten. Außer den beiden Cheruskern, Ergimer und Germir, hatten die Römer für die Einhaltung der Beistandsverträge noch fünf weitere Geiseln genommen: zwei chaukische und zwei brukterische Knaben sowie einen marsischen Fürstensohn.
    Kälte drang Ergimer bei dem Gedanken ins Herz, dass der Weg, der ihm bevorstand, über das Ende seiner Welt hinausführen sollte. Durfte er hoffen, seine Familie je wiederzusehen, den Vater, die Mutter, die Großeltern? Harrten Sonne und Mond deshalb noch gemeinsam am Himmel aus, um ihm Lebewohl zu sagen? Dass sein Bruder Germir ihn begleitete, bedeutete zumindest einen kleinen Trost. So fühlte sich der Junge nicht allein, obwohl er einsam war. Dankbar fühlte er den Arm des großen Bruders um seine Schultern, der doch, wie Ergimer deutlich spürte, selbst um Fassung rang, nur um dem Jüngeren Halt zu geben.
    Eine beunruhigende Beobachtung riss

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