Arminius
lachend: »Nicht mehr lange. Wollen wir wetten?« Arminius schaute ihn fragend an. »Wer von uns zuerst römischer Bürger ist, du oder ich.«
»Du scheinst es ja kaum erwarten zu können.«
»Und du?« Ja, was war mit ihm? Arminius wusste nicht, ob er lieber Bürger des Römischen Reiches werden oder Germane bleiben wollte. Er hatte lesen und schreiben gelernt, konnte etwas Griechisch, las Vergil, Horaz und Cicero, hatte Rhetorikstunden, aber auch eine gründliche Ausbildung im Reiten, Fechten und römischer Taktik absolviert, er sprach täglich Latein und träumte schon auf Latein. Jede Minute nutzte er eifrig, um zu lernen und um seinen Körper im Waffenhandwerk auszubilden, trieb bereits nach dem Aufstehen Sport und hielt ständig Ausschau nach den besten Meistern im Schwert-und im Faustkampf. Es gab immer noch eine Finte und eine Parade, die man lernen konnte. In Germanicus besaß er in all diesen Unternehmungen einen idealen Gefährten und oft auch einen großartigen Gegner in den vielen kleinen und größeren Wettkämpfen, zu denen sie von ihrem jugendlichen Ungestüm getrieben wurden. Sie wetteiferten miteinander und schenkten sich nichts. Das schätzten sie aneinander, dafür liebten sie sich ohne Haken und Ösen wie es nur wirkliche Freundschaft und die Bedingungslosigkeit der Jugend vermag. Manchmal fragte er sich bereits, wie das eine oder andere Wort auf cheruskisch hieß. Immer wenn er Flavus in der Kaserne besuchte, was ihm nach einem Jahr der Trennung und durch die Fürsprache des Germanicus erlaubt worden war, sprach er mit ihm in seiner Muttersprache, weil er fürchtete, sie allmählich zu vergessen.
Am nächsten Tag wurde er zu Augustus ins Atrium des kaiserlichen Hauses gerufen. Der Herrscher saß auf seiner Lieblingsbank im Tablinum, umgeben von Antonia und Livia, seinen Adoptivsöhnen – dem jüngeren Lucius Caesar und dem älteren Gaius Caesar – sowie Germanicus.
Arminius liebte die freundliche Atmosphäre in diesem Teil des Hauses. Im Wasserbassin des Atriums schwammen Goldfische. Durch die quadratische Dachöffnung darüber fiel das Licht ungehindert in die Räumlichkeiten und schuf eine diffuse Helligkeit, in der man meinte, die einzelnen Lichtpunkte wie Staub erkennen zu können.
Gaius Caesar, der unmittelbar neben dem Herrscher stand, wurde an den Gerüchtebörsen Roms und im Senat bereits als der nächste Kaiser gehandelt. Der hübsche junge Mann von achtzehn Jahren war der Sohn von Julia, der Tochter des Augustus, und Agrippa, dem besten Freund des Kaisers. Agrippa war nun schon über zehn Jahre tot. Die Erziehung des Gaius Caesar hatte Livia übernommen, die Frau des Augustus, Mutter von Tiberius und Drusus und Germanicus’ Großmutter. Nach dem Tod seines treuen Freundes Agrippa, der ihm den Weg zur Macht freigekämpft hatte, hatte Augustus seine Tochter zwar in die Ehe mit Tiberius gezwungen, doch dem Paar war kein Glück beschieden. Julia hatte ihren Mann betrogen und ihn, sooft sie nur konnte, lächerlich gemacht. Darüber trübsinnig geworden hatte sich Tiberius vier Jahren zuvor – für alle überraschend, für manche schockierend – aus der Politik zurückgezogen und lebte nun freiwillig im Exil auf der Insel Rhodos. Augustus verübelte ihm diesen Schritt immer noch. Tiberius lebte auf der fernen Insel in Ungnade und verdankte es allein der schützenden Hand seiner Mutter, dass ihn nicht schon längst das Gift oder der Stahl eines gedungenen Mörders niedergestreckt hatte.
Aber auch für Julia, die Mutter von Gaius Caesar, brachte die Ehe keinen Nutzen. Des ausschweifenden Lebenswandels seiner Tochter überdrüssig und, wie man es sich in ganz Rom hinter vorgehaltener Hand erzählte, erbost über eine Verschwörung, die in Julias Haus, einem beliebten Treffpunkt eitler Ehrgeizlinge, aufgedeckt worden war, schied Augustus, ohne den Ehemann zu fragen, einfach ihre Ehe mit Tiberius. Dann verbannte er seine Tochter auf eine kleine Mittelmeerinsel, wo sie nur mit dem Allernotwendigsten versorgt blieb.
Gaius Caesar focht das alles nicht im Mindesten an. Seine Mutter bedeutete ihm ebenso wenig wie seinem jüngerer Bruder Lucius Caesar. Eine Amme hatte die beiden liebevoll umsorgt, die Großmutter erzog die beiden Jünglinge. Ihrer Mutter Julia waren sie nur bei offiziellen Anlässen begegnet, an denen die Familie vor den Römern und der Welt eben als Familie auftrat.
Germanicus, der am weitesten außen stand, bemühte sich, seine Freude zu unterdrücken, und setzte eine
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