Arminius
kann«, sagte Germanicus. »Ich werde dir dabei helfen. Ich stehe in deiner Schuld. Freund?« Er streckte Arminius die rechte Hand entgegen.
Dieser kam zögernd auf ihn zu, schaute ihm prüfend in die Augen, dann legte er seine Hand in die des Römers. »Freund!«
Dann machten sie sich schweigend auf den Heimweg. Nach einer Weile fragte Germanicus: »War es dein Erster, ich meine, hast du schon mal jemanden getötet?«
»Nein«, antwortete Arminius leise und vermied es, den anderen anzusehen.
»Und wie ist es? Ist es schlimm?«
»Er musste weg.«
Germanicus schaute ihn verwundert an. »Was heißt das, er musste weg? Ich verstehe diesen Ausdruck nicht.«
»Mein Vater sagt, wenn ein Bulle oder ein Bock oder ein Rüde die eigenen Jungtiere angreift, dann muss er weg!«
Germanicus fröstelte, er zog den Mantel noch fester um sich. Dann entschied er: »Keiner darf je von unserem Ausflug erfahren!«
»Niemand!«
»Schweigen?«
»Schweigen!«
»Schwörst du?«
»Zum eigenen Nutzen. Bei Tyr will ich die Ereignisse dieser Nacht vergessen!«
»Bei Jupiter, ich auch«, seufzte Germanicus, »bis auf eines.« Arminius sah ihn fragend an. »Einzig, dass du mir das Leben gerettet und mich vor Schande bewahrt hast, werde ich für immer im Gedächtnis bewahren!«
Niemand im Haus der Livia hatte die Abwesenheit der beiden Jungen bemerkt. Bereits in den frühen Morgenstunden setzte eine flinke Geschäftigkeit im Haus wie in der ganzen Stadt ein. Denn an diesem Tag war es endlich soweit: Der Leichnam des Drusus wurde vor den Augen wohl aller Römer auf dem Marsfeld verbrannt. Anschließend sollte die Urne des beliebten Feldherrn in einer pompösen Prozession in das Mausoleum des Augustus gebracht werden, das sich gegenüber dem Friedensaltar, der Ara Pads, erhob. Augustus und Tiberius hielten die Trauerreden für den toten Schlachtenlenker. Das Volk war, wie es ihm zukam, ergriffen, und den Boden des Marsfeldes netzten vergossene Tränen.
Ein paar Tage lang beschäftigte der spektakuläre Tod des Senators Calpurnius Gallus Piso im Bordell die Fantasie der Römer. Um dem Gerede den Boden zu entziehen, warf man den Leibsklaven des Senators, der seinen Herrn an jenem Abend bei seinen Ausschweifungen begleitet hatte, in der Arena den hungrigen Löwen zum Fraß vor. Er hatte sich vor allem dadurch verdächtig gemacht, dass er allerlei merkwürdige Geschichten von einem hohen Knaben, dem Sohn des Drusus, erzählte. Es erbitterte die Römer, die gerade den verehrten Feldherrn zu Grabe getragen hatten, dass ein verruchter Sklave den Sohn des Drusus mit den schmutzigen Lastern eines zweifelhaften Senators in Verbindung brachte. Man hielt ihn deshalb für den Mörder seines Herrn, und aus Ermangelung eines anderen Verdächtigen fragte man nicht lange nach einem Motiv, sondern schrieb die Bluttat der Verwirrung des Geistes zu, der von den ständigen Ausschweifungen zerrüttet worden war. Und damit hatte man ja auch in gewisser Hinsicht Recht.
Augustus bedauerte den Tod der Schande Roms keineswegs. Er hätte den Mann nicht selbst aus dem Weg räumen lassen können, ohne den Senat zu beunruhigen, was politisch nicht in seinem Sinne war. Doch dass der alte Lüstling seinen schmutzigen Leidenschaften zum Opfer gefallen war, sollte ihm nur recht sein. So hatten also die Götter, die diesen Frevel nicht länger mit ansehen wollten, selbst gehandelt.
Antonia, Livia und der Erzieher Salvianus konnten bald erfreut feststellen, dass Arminius und Germanicus von nun an unzertrennlich waren. In allen Dingen standen sie wie Brüder füreinander ein. Besonders zufrieden aber war Tiberius – sein Plan schien aufzugehen.
15
Flavus trug die unter dem Brustpanzer aus dunklem Leder hervorleuchtende blaue Tunika und den gleichfarbigen Mantel der Prätorianer darüber, eine Kleidung, die sein blondes Haar und seinen scharf geschnittenes Gesicht prachtvoll zur Geltung brachten. Arminius hatte zur Feier des Tages die Knabentoga angelegt. Die Brüder saßen nebeneinander auf einem der mittleren Ränge im Circus Maximus zwischen den unteren gemauerten Sitzreihen der Ritter und den oberen hölzernen Plätzen der Plebejer, der gewöhnlichen freien Römer. Die meisten Männer auf den oberen Rängen hatten sich schon am frühen Vormittag eingefunden, um auf den Sieger des ersten Wagenrennens zu wetten. Einige waren auch gekommen, um sich ein wenig zu prügeln, und danach einfach sitzen geblieben, weil sie das alljährlich stattfindende Trojaspiel
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