Arminius
deutete mit dem Finger auf Germanicus. »Schau, Flavus, da ist er, da ist Germanicus. Ab heute gehört er zu den Männern.« Arminius lehnte sich einen Moment lang zufrieden zurück, begann dann aber doch, so unruhig auf seinem Platz hin und her zu rutschen, als ritte er an der Seite des Freundes.
Und nun begann das Spiel. Die Abteilungen zogen mit gezückten Waffen gegeneinander an, lieferten sich im spielerischen Wechsel glanzvolle Scheinangriffe und formvollendete Rückzüge, stürmten gleich darauf wieder aufeinander los, wichen zurück, flohen und verfolgten sich gegenseitig, um erneut anzugreifen. Krieg war Choreografie. Wer das nicht verstand, der wusste nicht zu kämpfen. Und die Göttin der Choreografie war die disciplina, die harte, die unerbittliche römische Disziplin.
Ob sich nun die eigenen Kinder unter den Reitern befanden oder nicht, die Römer waren ungemein stolz auf die Jungmannschaften im Trojaspiel. Und dieser Stolz dirigierte das Konzert der vielstimmigen Zurufe.
Arminius neigte sich zu seinem Bruder und brüllte ihm ins Ohr: »Weißt du, wie man bei uns zu Hause die Knaben in den Kreis der Männer aufnimmt?«
»Nicht genau. Ein Teil des Rituals ist geheim«, schrie der Bruder zurück.
»Was weißt du davon?«
»Nicht viel, nur dass wir von unserem Vater unsere Waffen bekommen hätten. Danach hätten wir im heiligen Hain im Kreis der Männer das erste Mal den Schwerttanz aufführen müssen.«
»Weißt du, wie der geht?« Flavus schüttelte nur den Kopf. »Den hätten wir üben müssen, wie die römischen Jungen das Trojaspiel.« Arminius schwieg und blickte traurig zu Boden. Flavus stieß ihn derb, aber herzlich an. »He, was ist denn los mit dir?«
»Ach, nichts, ich hätte nur so gern von Vater meine Waffen bekommen. Du nicht?«
»Weiß nicht. Es ist so lange her. Er hat uns doch gehen lassen. Jedenfalls sind wir jetzt hier«, meinte Flavus und wies auf seine rechte Seite, wo er sein Kurzschwert trug. »Ich habe meine Waffen von meinem Präfekten bekommen. Weißt du eigentlich, dass wir viele Germanen in der Kaserne sind? Und täglich kommen mehr. Sugambrer, Cherusker, Marser, Chatten, Ubier, Bataver, Brukterer, Sueben, Angrivarier, von allen Stämmen treffen junge Männer ein. Es heißt, Augustus will sich eine Leibwache aus Germanen zusammenstellen.«
»Woher weißt du das?«, staunte Arminius.
»Von meinem Präfekten. Ich soll ein Centurio der germanischen Leibwache werden. Weil ich schon so lange in Rom bin.«
Arminius warf dem Bruder einen bewundernden Blick zu. Er war jetzt sehr stolz auf ihn, und Flavus genoss augenscheinlich die Anerkennung seines Bruders.
»Siehst du, so sorgt Rom für uns. Eines Tages werden wir römische Bürger sein. Und aus unseren Söhnen können sogar Senatoren und Feldherren werden. Ist das nicht herrlich? Arminius, wir hatten am Ende doch großes Glück, als sie uns aus den heimischen Wäldern schleppten und hierher brachten. Größeres Glück als wir Dummköpfe damals ahnten.«
»Trotzdem möchte ich Vater und Mutter wiedersehen«, sagte Arminius leise. Der Ältere legte liebevoll seinen Arm um den Jüngeren. »Ich auch. Wenn die Götter wollen, werden wir es auch – eines Tages.«
Beifall brandete auf. Die Reiterabteilungen ritten zum Abschluss eine große Runde durch die lang gestreckte, ovale Arena.
»Sieh dich an, Arminius. Du lebst im Hause des Princeps, wirst zusammen mit dem Enkel der Kaiserin erzogen. Und da trauerst du den germanischen Wäldern nach?«
»Nicht den Wäldern, Flavus. Ich habe Sehnsucht nach unseren Eltern.« Und nach Elda, die er in all den Jahren nicht vergessen hatte, doch das verschwieg er dem Bruder. Mit Germanicus könnte er darüber reden, vielleicht, obwohl er auch das vermied, aber auf keinen Fall mit Flavus. Der würde ihn nur auslachen und ihm wahrscheinlich einen Bordellbesuch spendieren.
»Man kann nicht alles haben, Bruderherz«, sagte Flavus lächelnd und erhob sich, weil sich der Circus bereits zu leeren begann. »Komm, wir wollen Germanicus gratulieren.«
»Das müssen wir wohl verschieben«, sagte Arminius. Flavus schaute ihn fragend an. »Er wird von Augustus persönlich abgeholt. Zum Festmahl zu seinen Ehren.«
»Und du?«
»Oh, wir werden zwar zusammen erzogen, verbringen fast jeden Tag miteinander, sind Freunde, aber vergiss nicht, Flavus, ich bin kein Römer, ich bin für sie ein Barbar.« Einem plötzlichen Impuls folgend, schloss Flavus seinen Bruder fest in die Arme. Dann meinte er
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