Arminius
Arminius sollte den Enkel des Augustus bei dieser seiner ersten großen Mission als Staatsmann und Feldherr begleiten, um Erfahrungen im Umgang mit den Provinzen, den Verbündeten und den Feinden zu sammeln. Außerdem sollte er seine praktischen Kenntnisse der Reitertaktik erweitern. Wenn er sich bewährte, wollte man ihm bald schon ein eigenes Kommando übertragen. Und auch Germanicus sollte nicht in Rom bleiben, auch für ihn war es Zeit, Dienst und Ausbildung im Heer zu beginnen. Er wurde Lucius Domitius Ahenobarbus, dem Befehlshaber der Rhenus-Armee, zugewiesen.
Der letzte gemeinsame Tag der beiden Freunde in Rom bedeutete auch die letzten Stunden ihrer Kindheit – Militärdienst und Kampf, Politik und Krieg erwarteten sie bereits. Doch an diesem Tag wollten Arminius und Germanicus noch einmal Rom und ihre Freundschaft genießen. Und man ließ sie gewähren.
Den Vormittag hatten sie in den Thermen verbracht, zunächst ein Warmwasserbad genommen und ausgiebig geschwitzt. Dann suchten sie gemeinsam die Latrine auf, denn das warme Bad hatte ihre Verdauung gefördert.
Eine Latrine bestand aus einem an der Stirnseite offenen Rechteck. Darin verliefen rechts, links und hinten drei Bänke mit zwanzig oder dreißig Latrinenlöchern. Da es ja in den Mietshäusern keine Toiletten gab, suchten die meisten Römer zur Verrichtung ihrer Notdurft die peinlich sauberen öffentlichen Latrinen auf. Hier ließ sich die Zeit, die man für sein Geschäft benötigte, in angenehmer Unterhaltung verbringen. Zuweilen wurden auch Geschäfte ganz anderer Art abgeschlossen. Selbst Römer, die in ihrem Haus über einen eigenen Abtritt verfügten, suchten der Gespräche wegen die öffentlichen Bedürfnisanstalten auf. Als Arminius das erste Mal in eine öffentliche Toilette mitgenommen worden war, verstörte ihn das sehr, denn er war es gewohnt, zum Zwecke der Entleerung im Wald zu verschwinden und die Angelegenheit allein und ohne Zeugen zu erledigen. Er hatte einen hochroten Kopf bekommen beim Anblick der nebeneinandersitzenden Männer in der Latrine, der eine mit entspanntem, der andere mit verkniffenem Gesicht, schwatzend, furzend und scherzend. Die Gespräche selbst wurden lieblich vom Rauschen der Wasserkanäle untermalt, die sich unter der Latrinenverkleidung oder vor den Sitzbänken entlangzogen, unterbrochen nur durch das gelegentliche Plumpsen der herabfallenden Exkremente, die sogleich vom fließenden Wasser erfasst und in eine der Kloaken Roms gespült wurden, die allesamt in den Tiber mündeten.
Nachdem der Knabe sein Befremden überwunden hatte, empfand er die römische Sitte, sich mit eigens dafür an Stöcken befestigten Schwämmen zu säubern, die anschließend in einer vor den Sitzbänken entlanglaufenden Rinne mit fließendem Wasser ausgespült wurden, als ausgesprochen angenehm und erfrischend. Das war besser als die nassen Blätter zu Hause, die zudem im Winter nicht zur Verfügung standen. Seit Arminius in Rom lebte, war Schluss mit den gelegentlichen, sehr schmerzhaften Wunden an seinem Hinterteil. Mit der Zeit gewöhnte er sich sogar daran, dass sein stilles Geschäft in ein öffentliches verwandelt wurde.
»Wo werden wir bloß unseren nächsten Haufen setzen, Bruder?«, fragte Germanicus in gespieltem Ernst.
»Mögen die Götter es uns inmitten römischer Bürgerärsche tun lassen«, antwortete Arminius.
»Bei Jupiter, wohl gesprochen. Nur um es zu wissen, wo verrichten die Germanen ihr Geschäft?«
»Heimlich im Wald.«
Germanicus verzog angewidert die Miene. »Kacken sie etwa allein? Ohne Gesellschaft? Barbaren!« Er wollte es nicht glauben. »Nicht einmal ein Windchen, das sie miteinander teilen?«
»Das schon. Zuweilen auch eine Böe oder eine Sturmbrise, manchmal glaubt man auch, Gott Donar wohne in den Eingeweiden eines Mannes oder einer Frau, aber nur die Winde sind öffentlich und allen Nasen zugänglich. Um sich jedoch von den Werken ihres Magens und Darms zu trennen, verstecken sich die Cherusker. Niemand darf sie dabei beobachten.«
»Harte Zeiten stehen mir bevor.« Germanicus war kurz davor, in Selbstmitleid zu versinken. Entsetzt schüttelte er den Kopf. »Allein mit meinen Exkrementen!«
»Und wie ist es im Osten?«, wollte Arminius seinerseits wissen.
»Ach«, log Germanicus, »da kacken die Leute erst gar nicht.«
Arminius sah ihn erstaunt an. Der fuhr mit großer Ernsthaftigkeit fort: »Da sind sie so geizig, dass sie sich ohnehin von nichts trennen können.«
»Dummkopf!«, schimpfte
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