Arminius
Arminius, der dem Freund beinahe auf dem Leim gegangen wäre. Aber er hatte auch so viele fantastische Geschichten über den Osten gehört, dass er wie viele andere Römer meinte, im Osten sei alles möglich.
»Na, würde ich nicht Germanicus heißen, müsste ich auch nicht in den nassen und finsteren Norden.«
»Du sprichst von meiner Heimat.«
Germanicus ging nicht darauf ein. Dass der Freund in dieser Wildnis zur Welt gekommen sein sollte, konnte er sich inzwischen nicht mehr vorstellen, denn aus dem kleinen, zottigen Germanen, mit dem er sich einst auf einem Schiff geprügelt hatte, war längst ein ansehnlicher römischer Jüngling geworden.
»Und würdest du nicht Arminius heißen, müsstest du auch nicht nach Armenien, Prinz Blauauge.«
So verließen sie unter Scherzen froh und erleichtert die Latrine, erfrischten sich im Kaltwasserraum, schwammen und tauchten eine Weile in dem großen Bassin, dessen Boden mit einem Mosaik aus springenden Delfinen verziert war. Anschließend gingen sie in das Theater, das der Tiberinsel gegenüberlag und nach Marcellus, dem verstorbenen Onkel des Germanicus, benannt worden war.
Sie nahmen weit oben in einer der letzten Reihen Platz. Es war, als säßen sie am oberen Rand eines Trichters und schauten auf die tief unter ihnen liegende Bühne herab. Gegeben wurde zunächst eine Pantomime, in der es um eine Frau ging, die ihren Mann begrub und in seinem Grabmahl verhungern wollte, um ihm in den Tod zu folgen, währenddessen jedoch mittels einer List von einem römischen Soldaten verführt wurde und so wieder Gefallen am Leben fand.
Die beiden Jünglinge amüsierten sich prächtig. Germanicus stieß seinen Freund lachend in die Seite: »Gut, dass wir Soldaten werden. Übrigens, wir lernen die trauernde Witwe nachher kennen. Würde sie dir gefallen? Ich hab da etwas arrangiert.« Arminius schaute ihn fragend an, doch Germanicus lächelte nur verschmitzt.
Inzwischen hatte eine ursprünglich griechische Komödie begonnen, in der die Frauen, erbost über die ständigen Kriege der Männer, den ehelichen Beischlaf verweigerten, wenn ihre Männer nicht zur Vernunft kämen und endlich Frieden schlossen. Arminius fand das Stück sehr interessant, doch Germanicus winkte nur höhnisch ab: »Typisch Griechen, lassen sich von jedem Weiberrock beherrschen.«
Die anschließende Tragödie ermüdete die beiden so sehr, dass sie einnickten. Vom Schlussapplaus geweckt packte Germanicus den Freund am Handgelenk und zog ihn eilig mit sich. Gegen den Strom der Zuschauer, die das Theater verließen, arbeiteten sie sich bis hinunter zur Bühne. Dort empfing sie ein Sklave, führte sie durch den Bühneneingang aus dem Theater zu einer kleinen Taverne unmittelbar am Tiber. Er deutete auf einen großen, mit Wein, Wasser, Speisen und Blumen gedeckten Tisch. Kaum hatten sie sich niedergelassen, da stürmten auch schon die hungrigen und durstigen Schauspieler herein und setzten sich zu ihnen. Ganz Mann von Welt, lobte Germanicus die Aufführungen, besonders die Schauspieler, und ließ sich auch eingehend über die Darbietung aus, die sie verschlafen hatten. Arminius staunte.
»Honig!«, schrie Germanicus zum Wirt hin, nachdem er den Wein gekostet und die Miene verzogen hatte. »Ist der etwa vom vatikanischen Hügel, oder hast du uns gleich Essig serviert? In den Wein muss dringend Honig.« Dienstbeflissen schleppte der Wirt in einer Karaffe flüssigen Honig herbei, goss ihn in den Wein und verrührte das Ganze. Germanicus kostete erneut und lobte den Wirt, der nun vom Halunken zum Meister aufgestiegen war. Arminius bewunderte den Freund für seine Leutseligkeit, für die Gabe, eine ganze Tafel zu unterhalten und wie von selbst zum Mittelpunkt der Gesellschaft zu werden.
Als er vom Wasserabschlagen wieder in die Taverne trat, war es, als habe sich ein Schleier vor seine Augen gelegt. Alles wirkte milder, sanfter gezeichnet. Auch hatte er das Gefühl, sich auf einem schwankenden Boot zu befinden. Die Schauspielerin, die in der Pantomime das trauernde Eheweib, das sich zur feurigen Geliebten des Soldaten mauserte, gegeben hatte, stand plötzlich vor ihm und lächelte ihn verführerisch an. Germanicus hatte eine andere Schauspielerin untergehakt und zog sie schwankend mit sich. Bevor er mit ihr in den Hinterräumen verschwand, drehte er sich noch einmal zu dem Freund um, lächelte schief und raunte: »Zeit für die Kavallerie!«
Die Frau vor Arminius küsste ihn auf den Mund, der ihm mit einem Mal riesig
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