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Arno-Linder 1: Papierkrieg

Arno-Linder 1: Papierkrieg

Titel: Arno-Linder 1: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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sich aus Angst vor der Zugluft die Türen ihrer Wohnungen nicht zu öffnen getrauen und jämmerlich vor ihren Folianten mit antiken Komödien verhungern. Wie unser Berühmtester sagte: Was uns nicht umbringt, macht uns härter.«
    In diesem Moment begannen Zep den Blues von ›I can’t quit you, Baby‹ und ich ließ die Schwermut wirken.
    »Womit man aber nicht umzugehen lernt, ist die eigene Mutter. Die Angst vor einem Anruf, der Frage, ob man denn nun endlich einen Job habe, ob es im Leben eine Frau gäbe und dergleichen mehr. Einen guten Freund hab ich verloren, als seine Mutter dem Mittdreißiger zu Weihnachten ein Fahrrad geschenkt hat. Die Demütigung überlebt nicht einmal ein Sprachgelehrter. Im März hat ihn der Lungenkrebs geholt – gestorben ist er aber an der Schmach und nicht an zwei Schachteln filterloser Gitanes, wie uns die Gesundheitsministerin glauben machen will.«
    »Und was hast du jetzt vor?«
    »Ich werd zum Bender schauen, was der zum Slupetzky sagt.«
    »Soll ich dich runterfahren? Mit den Öffis brauchst du eine halbe Ewigkeit dorthin, der sitzt doch mittlerweile in Simmering unten.«
    Ich wollte gerade antworten, als uns ein hartes Klopfen aus der Konversation riss.
    Auf dem Gehsteig stand eine Oma mit Einkaufswagen und schwang ihren Spazierstock wie eine Keule. Mike lächelte, machte die Musik aus und öffnete das Fenster. Die Oma schimpfte wie ein Rohrspatz, Mike lachte auf und startete den Motor. Dann rasten wir mit quietschenden Reifen die Wohnstraße entlang. Die schimpfende Oma mit dem Krückstock in der Hand wurde rasch kleiner.
     

VIII
    Mit der weißen Kirche, dem Amthaus für den XI. Bezirk und den begrünten Wohnanlagen wirkte Simmering, wo Bender zu dieser Zeit seinen Nachtklub unterhielt, am Enkplatz fast wie eine niederösterreichische Kleinstadt. Vom Enkplatz zweigte die Dittmanngasse ab, dort waren ein paar Wohnhäuser, ein verwilderter Garten mit einer roten Backsteinmauer und eben am toten Ende der Gasse Benders Nachtklub.
    Mike ließ mich am Enkplatz aussteigen, die letzten paar Meter ging ich zu Fuß. Es war jetzt gegen sechs Uhr und eigentlich müsste der Laden geöffnet haben. Ich klopfte, ein Schiebefenster in der Tür ging auf, ich wurde beäugt und eingelassen. Es hat durchaus seine Vorzüge, wenn man Anzug und Krawatte trägt.
    Drinnen sah es aus wie in dem Lokal früher im Dritten. Eine Bar mit Spiegelwand und Flaschenbatterien. Im Raum verstreut ein paar gepolsterte Sitzgelegenheiten, etliche davon in dunklen Ecken. Zwei Stangen waren auch zu sehen, aber es tanzten noch keine Mädchen. Ein paar Gäste saßen allein und versuchten, sich mit Drinks für den Abend in Stimmung zu bringen. Die Klientel schien noch immer die gleiche wie früher zu sein. Spielwütige Chinesen, die mit 2 und 7 vor dem Flop All-In gehen und dafür 80 Stunden pro Woche arbeiten. Türken in Glanzplastik-Trainingsanzügen in Pink und Grün, mit Goldkettchen und Springmessern in der Tasche. Gegelte Yuppies in Armani oder Versace, die den Sekt mit Fünfhundertern zahlen und Kokshaufen auf den Spiegeltischen vor sich offen liegen haben. Man sieht echte Diamanten neben gefaketen Adidas-Trainingshosen sitzen, riecht einen Duft von Edmond Roudnitska neben dem vom Dönerstand am Enkplatz.
    Eigentlich ist Glückspiel in Österreich für Private legal, seit einer Novelle in den 90ern auch Poker und Black Jack, aber eine gewisse Klientel, die entweder in den legalen Casinos Hausverbot hat oder das Flair des Illegalen genießt, steht auf die Hinterzimmercasinos. Außerdem ist für jeden ein guter Kredit zu haben und die Einsätze haben kein Limit.
    Noch war alles leidlich sauber, aber in der Früh musste man durch knöchelhohe Cocktails aus Körperflüssigkeiten waten. Überall würden Kondome liegen, glitschig wie Bananenschalen, und so mancher hatte seine eigene Version der uralten Slapsticknummer gebracht.
    Ich steuerte die Bar an, beugte mich über den Tresen und fragte das blonde Bubi dahinter nach Bender. Ich biss auf Granit, Babyface wollte mir nichts sagen. Als ich soweit war, ärgerlich zu werden, legte sich mir eine schwere Hand auf die Schulter. Ich hatte mich gerade auf das Schlimmste eingestellt, den Kampf eines in die Enge getriebenen Katers gegen einen Dobermann, als mich ein breites Schwyzerdütsch aufatmen ließ.
    Fred war einmal Fleischerlehrling gewesen, bis er herausfand, dass man mit 202 Zentimetern Körpergröße als Preisboxer besser Geld verdienen kann. Die harte Schule kam

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