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Arno-Linder 1: Papierkrieg

Arno-Linder 1: Papierkrieg

Titel: Arno-Linder 1: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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Gleichberechtigung, Nichtraucher- und Umweltschutz, aber sie sollten da oben lieber mal für die Bücher kämpfen!«
    Ich stellte mich neben ihn und holte das Packpapierpäckchen aus meiner Aktentasche. »Du musst mir helfen.«
    »Du willst doch nicht schon wieder ans Giftschränkchen?«
    »Nein, diesmal geht’s nicht um die Grimoire.«
    »Gott sei Dank. Was ich damals einen Stress bekam, als sie herausgefunden hatten, dass ein Buch ausgeliehen worden war, das auf dem Index Librorum Prohibitorum steht!«
    »Nein, diesmal ist es kindisch. Ich hab nur ein Päckchen, ein Buch in Packpapier eingeschlagen, es ist sehr wertvoll. Darum will ich es nicht zu Hause lassen, vielleicht kannst du es mir aufbewahren?«
    »Unter den anderen im Packpapier wird es nicht auffallen, ich weiß da ein gutes Plätzchen.« Er wurde ernst und er blickte von seiner Arbeit auf. »Aber irgendwie hab ich dabei ein ungutes Gefühl. Bist du sicher, dass es keine Abschrift der Interviews nach der Roswell-Landung ist, oder eine Untersuchung über die sexuellen Vorlieben von Ratzinger?«
    »Nein, sicher nicht, das Buch ist ganz harmlos. Steht fast nichts drin.«
    »Was für eines ist es denn?«
    »›Sein und Zeit‹.«
    »Mein Gott, in was für eine Sache bist du diesmal hineingeschlittert?« Er starrte mich an und wartete eine Sekunde auf eine Antwort, dann hob er abwehrend die Arme und sagte: »Nein, sag nichts, dann muss ich auch nicht lügen. Ich pass drauf auf, aber geh jetzt, ich muss weiterarbeiten, bin schon ein paar Jahre im Rückstand.«
    Ich grüßte und ging. Über die Schulter schaute ich noch einmal zurück. Er stand an seinem Pult und klebte weiter an den alten Buchwracks. Die Zunge klemmte zwischen den Zähnen wie vorher, nur dass er diesmal den Kopf schüttelte.
    Es war Zeit, nach Hause zu fahren.
     

VII
    In der U-Bahn saß ein kleines Mädchen auf dem Schoß seiner Mutter. Die Kleine war vielleicht zwei Jahre alt und repetierte immer aufs Neue die zwei Dutzend Worte, die sie bereits gelernt hatte. Immer und immer wieder. Die Mutter war öko-alternativ, mit blonden, teilweise rosa eingefärbten Dreadlocks, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden trug. Kornblumenblaue Augen, die gleichen, die auch ihre Tochter hatte. Ihre Unterlippe war mit einem hauchdünnen Silberring gepierct. Mutter und Tochter waren in Naturfarben gekleidet. Auf dem T-Shirt der Mutter stand ›SpeedyConKiwi‹, was immer das auch heißen mochte. Ihnen gegenüber saß ein Herr, vielleicht 60, mit Wohlstandsbauch, Halbglatze und Spießbürgeroutfit. Der Wiederholungsdrang des allerliebst lispelnden Kindes ging ihm sichtlich auf die Nerven, bis er schließlich die Beherrschung verlor und losbrüllte: »Geh hern S’, bringen S’ des Kind zum Schweigen oder i machs!«
    Leider musste ich in diesem Moment aussteigen und konnte den weiteren Fortgang nicht mehr beobachten. Sind alle Wiener Arschlöcher oder bloß die Männer, oder ist Gott schon lange tot und wir sind in der Hölle und wissen es bloß nicht?
    Ich fuhr den U-Bahn-Schacht mit dem Lift hinauf. Vor dem Ausgang lümmelte das ewig gleiche Dutzend Hauptschüler herum, rauchend und vorsichtig zum anderen Geschlecht schielend.
    Ich wollte gerade die Straße überqueren, da heulte neben mir die Sechs-Liter-Maschine eines Pontiac TransAm 77 auf. Ich musste nicht hinsehen, um zu wissen, wer da im Wagen saß. Mike, ein Mittfünfziger, hatte langes, krauses Blondhaar, das die Zeit langsam grau färbte. Sein Gesicht war rot wie Feuer, die Nase begann, eine rot-bläuliche Färbung anzunehmen, und die kleinen Schweinsäuglein blickten flink umher. Mit seiner schwarzen Lederjacke saß er hinter dem Lenkrad. In der Rechten hielt er ein 16er Blech. Er beugte sich über den Beifahrersitz und öffnete mir die Tür. »Steig ein. Fahren wir ein bisschen.« Während er sprach, ließ er den Motor aufheulen.
    Ich stieg ein und mit quietschenden Reifen ging’s los.
    »Die Kiberei war heute Morgen bei mir, die haben eine Leiche gefunden.« Er nahm einen Zug aus der Dose. »Der neue Nachbar von mir. Ist erschossen worden. Waren sie auch schon bei dir?« Er rauchte eine an, ohne das Blech aus der Hand zu geben.
    »Vorher im Büro.«
    »Ist dir aufgefallen, die schauen aus wie der Fuchs und die Katze bei Pinocchio?«
    Ich nickte.
    »Hast du eine Ahnung, um was es da geht?« Er sah mich ernst an, als er das fragte.
    »Keine Ahnung.«
    »Gut.«
    Wir fuhren noch ein gutes Stück unter der Westbahn hindurch und blieben in

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