Arno-Linder 1: Papierkrieg
»das ist hinter dem Hof, einfach die Stiege bei den Mistkübeln hinauf.«
Ich bedankte mich artig und ging. Alle blieben in der Tür stehen und beobachteten, wie ich zurückging. Sie tuschelten verwundert. So etwas hatten sie noch nicht erlebt.
Ich durchquerte den Hof, der ungefähr drei mal drei Meter maß und mit Mistkübeln, Fahrrädern, Kinderwagen und leeren Kisten vollgeräumt war. Ich fand die Tür und ging auf der anderen Seite wieder ins Haus. Dort war es ähnlich dunkel, und beinahe wäre ich der Katze wieder auf den Schwanz gestiegen, aber diesmal war die Felidin schneller und sauste davon, bevor der ungeschickte Zweibeiner ihr wehtun konnte. Ich ging eine steile Treppe hinauf und stand vor einer schönen alten, holzgeschnitzten Tür. Ich klopfte, und die Tür wurde einen Spalt geöffnet.
»Ja bitte?« Ein weibliches Wesen sprach, mehr konnte ich nicht erkennen. Die Stimme war volltönend, im Tonfall reines Wienerisch, aber mit einer Ahnung von Letscho und Pleskiawitza im Hintergrund.
»Mein Name ist Linder, ich habe einen Termin mit Herrn Mihailovic, ich bin hier doch richtig?«
»Mihailovic ist noch nicht da, aber er wird bald kommen. Bitte einzutreten.« Die Kette wurde ausgehängt und die Tür geöffnet. Vor mir lag eine große Wohnküche. An der linken Wand eine Kochzeile mit Geschirrspülmaschine, Kühlschrank, Abwasch und Arbeitsflächen. Etwas Geschirr stand auch herum. In der Mitte des Raumes befand sich ein großer Tisch, beinahe eine Tafel. Ohne Tischtuch, aus dunklem, poliertem Holz. Dazu passende Schränke mit Glastüren befanden sich an den Wänden. In der rechten Wand schaute ein Fenster hinaus auf den Hof. In der der Eingangstür gegenüberliegenden Wand war ein Durchgang ins Wohnzimmer.
»Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Ein Bier oder vielleicht einen Kaffee?« Die Dame des Hauses war um die 30. Mit sehr dunklem Haar, das sie lang trug. Ihre Augen eine Spur heller, aber immer noch fast schwarz. Wie viele Frauen vom Balkan war auch sie dramatisch geschminkt, violetter Lidschatten und dunkelrote Lippen. Sie trug eine geblümte Bluse, kupferne Armringe und eine dunkelblaue Jeans. Außerdem war sie gut gebaut und blühte, als ob sie ein Kind unter dem Herzen trüge.
»Gegen einen Kaffee hätte ich nichts einzuwenden.«
»Nehmen Sie Platz, bitte. Der Kaffee ist gleich fertig.« Ich setzte mich an den großen Tisch und wartete. Eine Minute später war das heiße Gebräu fertig, die Frau stellte eine weiße Porzellantasse mit Untersetzer vor mich hin und schenkte zuerst mir, dann sich selbst aus einer italienischen Espressokanne ein.
Der Kaffee war schwarz, ohne eine Spur von Braun. Es hatte sich ein wenig Schaum gebildet, dessen größere Bläschen wie Seifenblasen glänzten. Dort, wo die Bläschen in den Kaffee übergingen, spielte ein wenig Rot in das ansonsten dominante Schwarz hinein. Aus der Tasse stieg betörender Duft auf.
»Milch oder Zucker?«
»Nein danke, ich mag ihn schwarz.«
»So wie ich. Stört es Sie, wenn ich rauche?«
»Nein, überhaupt nicht.«
»Gut.« Sie zündete sich eine an. »Rauchen Sie?«
»Nein.« Ich nahm vorsichtig kostend einen Schluck.
»Seien Sie froh, ich hab schon zweimal aufgehört, aber ich kann’s einfach nicht lassen.«
Inzwischen hatte ich den heißen Kaffee im Mund. Er war stark und ein wenig dickflüssig.
»Schmeckt er Ihnen?«
»Ausgezeichnet.«
»Sie können gern mehr haben.«
»Danke. Sehr gern.«
Sie schenkte nach.
Plötzlich läutete ihr Handy und sie holte es heraus. Der Klingelton war aus dem Soundtrack von ›Black Cat, White Cat‹. Das Handy war ein schwarzes Samsung, mit silbernem Giorgio-Armani-Schriftzug. Etwa acht mal fünf Zentimeter groß, und dünn wie eine Tafel Lindt-Schokolade. Nach ein paar Worten, die ich kaum verstehen konnte, reichte sie mir das Telefon mit der Bemerkung: »Es ist Mihailovic.«
»Guten Tag, Herr Linder, stecke in Stau, momentan. Wird noch ein bisserl brauchen. Tun’s nur warten, gö!«
»Werd ich. Wie lange brauchen Sie in etwa?«
»So halbe Stunde.«
»Ist gut, bis gleich.« Wir legten auf. Ich probierte erneut vom Kaffee.
»Mihailovic ist immer auf der Jagd, heute war er in Wiener Neustadt unten. Es ging um ein paar Jugendstil-Aschenbecher. Sehr wertvoll.«
Die Geschäfte im Kunsthandel mussten gut gehen, wenn die beiden sich so ein Handy leisten konnten.
»Warum wollen Sie ihn sprechen?«
»Ich habe ein paar Bilder«, die Dame schaute sofort nach meiner alten
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