Arno-Linder 1: Papierkrieg
Übung.«
»Und woher wissen Sie Alter?«
»Wegen der Buchstabenform und der diakritischen Zeichen. Ganz zu Beginn haben die Griechen ohne geschrieben, als dann aber im Hellenismus immer mehr Nichtgriechen die Sprache gelernt haben, hat man in Alexandria diese Zeichen entwickelt, um den Nichtmuttersprachlern zu helfen. Zeichen und Buchstaben stimmen überein.«
»Kann nicht sein, dass doch gefälscht?«
»Wenn der Text gefälscht ist, dann so gut, dass sicher auch richtiges Papyrus und Tinte verwendet wurde, und in diesem Fall kann niemand eine Fälschung nachweisen. Und wenn niemand die Fälschung beweisen kann, muss es echt sein.«
»Sehr gutt.« Mihailovic und seine Frau holten tief Luft. »Danke für Ihre Hilfe. An die Experten können wir uns nicht gut wenden, ohne dass wir unangenehme Fragen gestellt bekommen.«
Sorgsam packte ich den Text wieder weg. Heute lief alles prächtig. Ich hatte Geld, war satt und hielt nach einer wundersamen Fügung der Vorsehung einen Text in Händen, der 2.300 Jahre alt war. Ich beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. »Sie könnten mir einen Gefallen tun.« Die beiden waren ganz Hilfsbereitschaft.
»Gern, sagen Sie nur.«
»Mirko Slupetzky, was können Sie mir von ihm sagen?«
»Ich kenne keinen Slupetzky.« Mihailovics Stimme war hart wie Granit. Er und seine Frau, die beide vor Aufregung aufgesprungen waren, standen nun direkt vor mir. »Besser, Sie gehen.« Mihailovics Riesenpranke wies zur Tür.
Ich schenkte mir den Rest vom Kaffee ein, ergriff die Tasse und lehnte mich in das weiche Sofa zurück. Dann nahm ich seelenruhig einen Schluck. »Seien Sie vernünftig, Mihailovic. Ich will Ihnen nichts Böses, nur ein paar Antworten.«
Der serbische Bär ging einen Schritt auf mich zu, seine Hände machten den Eindruck, sich um meinen Hals legen zu wollen. Ich blieb ganz ruhig. Er war sicher stärker als ich, aber vor ein paar Schmerzen hatte ich keine Angst.
»Herr Mihailovic, Sie haben hier eine wunderbare Wohnung, eine tolle Frau, auf Ihrem Sofatisch liegt ein antikes Original, für das jeder Sammler Haus und Frau verpfänden würde. Vergeigen Sie das nicht.« Ich deutete mit dem Kopf auf den leicht gewölbten Bauch seiner Frau. »Mit dem Geld können Sie Ihrer Tochter fünf Amati kaufen und das Konservatorium und die Privatlehrer in bar bezahlen.«
Er blieb stehen, seine langen Arme baumelten unschlüssig.
»Ihre Frau macht uns noch einen Kaffee, wir trinken einen Trabaritzer und reden. Ganz entspannt.« Ich leerte meine Tasse und legte den Kopf in den Nacken, um auch noch den letzten Tropfen zu erreichen. Alles war gut gegangen, heute war ein guter Tag.
VI
»Mirko war gutte Freund. Schon lange. Seit in Wien war. Er kannte viele Russa. Sehr gutte Kontakte. Nach Wende viel Geld in Rassia«, er sprach das Wort russisch aus, mit kurzem i und zischendem ss, »das sehr gutt für Kunsthändler. Feiner Markt dort.«
»Und der Lasarew da hinten, ging’s da auch um Ikonen?«
»Früher, jetzt nicht mehr. Viel zu gefährlich. Seit drei, vier Jahren nicht mehr. Habe den Katalog nur mehr, weil so schön. Mit der Mafia ist nicht gut Kirschen essen.«
»Haben Sie und Slupetzky immer zusammengearbeitet?«
»Nein, nur bei Russen und seit keine Ikonen mehr, sehr selten.«
»Von was hat er denn gelebt, seit er nicht mehr gespielt hat?«
»Weiß auch nicht.«
»Sie brauchen gar nicht so zu tun, von der Computersache weiß ich. Aber was wissen Sie?«
»Nix.«
»Herr Mihailovic, stehen Sie sich nicht selbst im Weg, der Papyrus dort soll doch Ihr Leben sichern, nicht zerstören. Denken Sie an Ihr Kind.«
Ich holte mein altes Nokia heraus und entsicherte die Tasten. »Ein Anruf und Sie können sich alles abschminken. Wenn Sie einmal im Häfn waren, ist’s vorbei mit der Kunst.«
Seine Frau nahm Mihailovics Hand und drückte sie innig. »Mirko hat Computer vertauscht. Apple Computer. Falsche an Geschäft und echte selbst verkauft, nach Rassia, die meisten. Viel Geld dort. Mehr weiß ich nicht, war mir zu viel.«
»Hat er einen Partner gehabt?«
»Ja, war einer, ein Wiener. Schmieriger Kerl. Immer Gel in die Haare, immer Zigarette in Mund, immer Koks im Kopf.« Er schaute tief in seine Kaffeetasse und schüttelte bedauernd den Kopf. »Habe immer gesagt, gell Sonja, habe immer gesagt zu ihm: Mirko, mit solche Weichbirne nix Geschäfte machen. Der Gauner, nix Ehrenmann. Aber hat total nix auf mich gehört. Jetzt Mirko tot.«
Sonja hatte die Arme um ihren Bären
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