Arno-Linder 1: Papierkrieg
zum Papyrus bringe, weil sie ihn dort nicht gefunden haben, wo sie gesucht haben. Jetzt soll ich sie führen. «
»Also haben Sie ihn?«
»Nicht bei mir, aber ich weiß genau, wo er ist. Ich muss nur den geeigneten Moment abpassen, dann hol ich ihn und wir treffen uns. Oder arrangieren eine andere Art der Übergabe. Wird sich schon finden.«
»Ich weiß nicht so recht, ob ich in eine solche Angelegenheit verwickelt werden will.«
»Sie haben mit der ganzen Sache gar nichts zu tun. Ein Telefonanruf heute, und Mitte der Woche liegt die Batrachomyomachia vor Ihnen. Weniger Mühe für so ein Stück ist gar nicht vorstellbar.«
»Na gut, wie Sie meinen.«
»Genau. Wir hören voneinander.«
Ich legte auf. Nun hatte ich Dittrich doch mehr erzählen müssen, als ich eigentlich gewollt hatte. Aber da ich weder wusste, wo der Papyrus war, noch wie ich ihn wieder beschaffen könnte, war Dittrich mein letztes Ass im Ärmel. Ich musste ihn, koste es was es wolle, bei der Stange halten.
Ich zahlte die Rechnung für das Telefonat und ging heim. Die Gedanken rasten durch meinen Kopf und ich hirnte wie verrückt, aber es wollte sich einfach kein Ergebnis einstellen. Ich war ratlos. Da das Nachdenken nichts fruchtete, beschloss ich, meine Sachen zu packen und ins Büro zu fahren. Dort wartete schließlich jede Menge wissenschaftlicher und bürokratischer Arbeit auf mich.
II
Nachdem mein beschauliches Gelehrtendasein in der letzten Woche restlos in sich zusammengefallen war, genoss ich es, in meine Arbeit einzutauchen. Kaum zu glauben, aber sogar die administrativen Tätigkeiten, die mit der letzten Universitätsreform notwendig geworden waren, schienen mir unterhaltsamer als sonst. Ich war allerdings noch nicht allzu weit gekommen, als mir ein Zettel in die Hände fiel, den ich vergessen hatte. Ich sollte morgen, Dienstagnachmittag, einen Vortrag halten. Gott sei Dank hatte meine Chefin keinen Augenblick gezögert und mein Thema schon bestätigt, bevor ich auch nur von dem Vortrag in Kenntnis gesetzt worden war. Ich sollte über Homer und die Bedeutung seiner Texte für die Entwicklung der abendländischen Kultur sprechen. Schönes Wald- und Wiesenthema, zu dem sich gut improvisieren lässt. Nach kurzem Zögern entschloss ich mich dazu, überhaupt keine Vorbereitungen zu unternehmen, sondern morgen Nachmittag um fünf einfach zwei Gläser Sekt auf nüchternen Magen zu trinken und leicht illuminiert meiner Beredsamkeit freien Lauf zu lassen. Mozart hat schließlich die Kadenzen zu seinen Klavierkonzerten auch kaum jemals durchgearbeitet und Charlie Parkers Soli entstanden auch immer im Moment, auf der Bühne, warum sollte ich mich also mit weniger zufriedengeben?
Kaum hatte ich den Entschluss gefasst und meine kurzzeitig verloren gegangene Seelenruhe wiedererlangt, als sich ohne ein höfliches Klopfen die Tür öffnete und meine Chefin hereinkam. Frau Professor Glanicic-Werffel war wie immer elegant gekleidet. Diesmal hatte sie ein Tweedkostüm an, das mit dem Gegensatz von biederem Oxford-College-Professor-Stoff zu weiblich-aufregendem Schnitt reizvoll spielte.
»Ich hoffe, Sie haben das Wochenende genützt, um Ihren Vortrag vorzubereiten. Diese Interdisziplinäre Vortragsreihe wird von höchsten und allerhöchsten Universitätsgremien gehört. Das ist eine wirkliche Chance für das Institut, das um sein Überleben kämpft und sich profilieren muss.«
Sie atmete einmal kurz durch und schien abzuwägen, wie viel sie mir erzählen könnte. »Wir stehen kurz vor dem Rauswurf. Sogar die vergleichenden Literaturwissenschafter haben schon Drittmittel!« Sie ließ nach neuester Mode das ›l‹ aus, was gerade für eine Philologin eine Schande ist. Schließlich heißt es ja auch nicht Künster oder Sporter. Aber auch das war eigentlich nur ein Zeichen für den Geist der Zeit. »Wir können es uns schlicht und einfach nicht leisten, diese Gelegenheit zur Präsentation ungenützt verstreichen zu lassen. Wir müssen unser Profil schärfen. Gut gekleidet, intelligent, weltoffen, kulturübergreifend interessiert. Das sind die Attribute, die positiv auffallen. Ich will auf keinen Fall einen Vortrag hören, in dem es um homerische Partikel geht! Auch auf Etymologien hat niemand mehr Lust, außer sie sind vielleicht gender-relevant. Aber auch dann sparsam einsetzen. Und ich will Fremdwörter, Linder! Verwenden Sie klare, einfache Sätze mit simplem Inhalt und garnieren Sie das Ganze mit ein paar Wörtern, die keiner kennt.«
»Wenn
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