Arrivals: Fürchte die Unsterblichkeit (German Edition)
hatte er von verschiedenen Arrivals gelernt, dass die Fotografien sich seitdem zu bewegten Bildern entwickelt hatten, die schließlich sogar vertont wurden. Filme gab es hier nicht, aber es war ein interessanter Gedanke, dass die Welt zu Hause solche Wunder geschaffen hatte.
Sie hatten alle einige solche Momente ehrfürchtigen Staunens erlebt, als sie verschiedene Teile des Wastelands erkundet hatten. Doch Chloe würde nicht so viel Zeit wie die anderen haben, um innezuhalten und sich anzupassen. Sie hatte schon Verrot getrunken, war von Cynanthropen angegriffen worden, einem Bloedzuiger begegnet und würde bald von Ajani erfahren. Da konnten sie ihr ruhig einen Moment Zeit lassen, die erste Stadt zu bestaunen, die sie in ihrer neuen Welt sah.
Gallows war ein wenig primitiv, aber Katherine und er mochten es ganz gern, weil es sich anfühlte wie die Welt, die sie zurückgelassen hatten. Die Gebäude bestanden größtenteils aus beigen Lehmziegeln und einer Art Backstein aus rosa Ton, den es nur im Wasteland gab. Es gab einige Holzbauten oder Verzierungen aus Holz – hierzulande ein Zeichen von Reichtum –, aber durch die vielen Lindwurm-Farmen war Holz für normale Leute auch weniger praktisch.
»Es gibt hier Orte, die nicht so anders sind als der, von dem du kommst«, versicherte Jack Chloe.
Melody schnaubte verächtlich. »Das bezweifle ich.«
»Das ist aber ein Drache«, murmelte Chloe und warf Jack einen Blick zu. »Gibt es auch Monster, die ihr hier nicht habt?«
»Es ist ein Lindwurm. Hier sind eine Menge Farmen«, Jack hielt inne. »Doch, es gibt Ungeheuer, die wir hier nicht haben, und ja, er ähnelt den Drachen aus den Märchen von zu Hause.«
Hinter ihm sog jemand scharf die Luft ein.
Jack warf einen Blick über die Schulter. »Was?«
»Märchen?«, wiederholte Katherine mit kaum verhohlenem Lachen.
Jack zog eine finstere Miene, um seine Verlegenheit zu überspielen. »Ich habe sie dir oft genug vorgelesen, als du ein kleines Mädchen warst. Also ja, Katherine, Märchen .«
Seine Schwester hob in einer entwaffnenden Geste die Hände, und er bemerkte erleichtert, dass sie sich eines Lächelns kaum erwehren konnte. Er zwang sich allerdings, weiter eine finstere Miene zu wahren. Manchmal ließ sie sich von ihm erweichen, wenn sie schlechte Laune hatte. Aber das hieß noch nicht, dass es ihr gefiel, wenn er das merkte. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Chloe zu. »Prinzen und Prinzessinnen haben wir allerdings nicht, falls das hilft.«
Chloe lächelte. »Das meine ich auch nicht, wenn ich an Monster denke.«
Er zuckte mit den Achseln, aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Er wollte etwas Kluges sagen; er wollte hören, was sie als Nächstes sagen würde, was sie dachte. Aber er wollte sich dabei nicht vom Rest der Arrivals beobachten lassen. Es war ein ungewohntes Gefühl, einer Frau einfach beim Reden zuhören zu wollen, und er kam sich dumm dabei vor.
Bevor das Schweigen zu unbehaglich wurde, stürzte sich Katherine in eine Schilderung des Kampfs mit dem Lindwurm von kürzlich. Ihre Worte sprudelten so schnell heraus, dass Jack ihr ohne das Verrot in seinem Blut vielleicht nicht hätte folgen können. Er fragte sich müßig, ob er auch so atemlos klang, wenn er es gerade getrunken hatte. Auf jeden Fall wusste er, dass er sich auch so gehetzt fühlte. Trotzdem kam es ihm fast vor, als überschlage sie sich unnatürlich. Er zwang sich, sich auf die Worte seiner Schwester zu konzentrieren, während er Ausschau nach Gefahren aus der sie umgebenden Wüste hielt.
Er fand sich ja nicht annähernd so leichtsinnig oder unausstehlich, wie seine Schwester ihn darstellte, aber er hatte sich an ihre alles andere als schmeichelhafte Einschätzung seiner Person gewöhnt. Doch fiel ihm auf, dass ihre Stimme voller Stolz war, sogar beim Erzählen. Er warf Chloe einen Blick zu, und sie lächelte ihn an.
»… Schwachkopf dachte, er wäre zu Hause und säße auf einem Pferd statt auf einem Lindwurm«, endete Katherine.
»Ich hätte es dir ja überlassen können, allein damit fertigzuwerden«, warf er ein.
Katherine ignorierte ihn, und die anderen begannen, ihre eigenen Lindwurmgeschichten zu erzählen. Sie klangen nicht ganz so gehetzt wie Katherine; oder vielleicht war er nicht so vertraut mit ihrer Sprachmelodie. Chloe lauschte ihnen fasziniert, obwohl er sie ein paarmal dabei ertappte, wie sie ihm Blicke zuwarf.
Als sie die Stadt richtig betraten, brauchte Jack einen Moment, um sich daran zu
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