Arrivals: Fürchte die Unsterblichkeit (German Edition)
viel zu sehr an ihre Anfangsjahre hier erinnerte, als ihnen die ganze Welt fremd gewesen war.
Jack reagierte genauso wie vor vielen Jahren. Er sah seine Schwester an und versuchte zu klingen, als wüsste er, was er tat. »Wir geben ihm das Verrot. Wir reden mit Garuda, und wenn wir nichts erreichen, gehe ich noch einmal zu Gouverneur Soanes. Entweder weiß er etwas oder … er hat damit zu tun. Ich gehe der Sache auf den Grund, und alles wird gut.«
Und dann hoffte er, bei Gott und Teufel gleichermaßen, dass er nicht log.
Als Chloe das Erdgeschoss erreichte, rechnete sie fast damit, in der Taverne einen der Arrivals anzutreffen, aber keiner von ihnen war zu sehen. Vielleicht waren sie alle zusammen und befassten sich mit der unbekannten Krise, die es notwendig gemacht hatte, Jack zu rufen. Oder einige von ihnen waren draußen und mit Gottweißwas beschäftigt. Das Einzige, was Chloe sicher wusste, war, dass sie, wenn sie in der Taverne blieb, irgendeinen hiesigen Alkohol probieren würde. Das war zwar eine verlockende Vorstellung, aber sie hatte bereits Verrot getrunken – was nicht ganz ohne Folgen geblieben war. Das war ihr Ausraster in D . C . auch nicht geblieben; hier wie dort war Trinken einfach keine gute Idee.
Irgendwie erschien der Umstand, dass sie noch vor Minuten mit Jack im Bett gelegen hatte, surrealistischer als alles andere, was passiert war, seit sie in dieser fremden Welt aufgewacht war. Leider wirkte es auch weniger erstaunlich. Sie hatte den Versuch, so zu tun, als fühlte sie sich von guten Männern angezogen, schon lange aufgegeben. Die Liste ihrer Beziehungen war eine lange Reihe schlechter und noch schlechterer Entscheidungen. Für einige davon konnte sie Entscheidungen, die sie im betrunkenen Zustand getroffen hatte, verantwortlich machen, aber der Rest war eine seltsame Laune der Biologie. Sie fand nette Männer einfach nicht attraktiv – und umgekehrt war das genauso der Fall. Wenn das Schlimmste, was Jack tat, war, sie als Ersatz für eine tote Freundin zu gebrauchen, dann wäre er einer ihrer weniger schlimmen Fehler. So hatte Bobby unterlassen zu erwähnen, dass in den Päckchen, die sie bei seinen Freunden abgeholt hatte, Kokain war. Michael hatte vergessen zu erklären, dass er mit »Exfrau« etwas anderes meinte, nämlich »aktuelle Ehefrau, die nur zu gern ein Mädchen erstechen würde, das mit ihm schläft«. Allan hatte mehr Jahre im Gefängnis gesessen, als er die Schule besucht hatte. Isaiah war ein toller Kerl gewesen – bis er so zugedröhnt gewesen war, dass er sie über einen Parkplatz zu einem Geldautomaten halb gezerrt und halb getragen hatte, damit sie Geld für seine nächste Dosis abhob. Sie hatten alle nett gewirkt, als sie sie kennengelernt hatte, oft ein wenig ungeschliffen, aber sie fühlte sich wohler mit Männern, die ein Paar Jeans auch ausfüllten. Männer in Anzügen dagegen machten sie meist nervös. Sie war nur mit zwei Anzugträgern zusammen gewesen. Der erste war Jason gewesen, den sie umgebracht hatte, und der zweite der Mann, der mit ihrer Chefin geschlafen hatte und verantwortlich für die Zechtour war, durch die Chloe im Wasteland aufgeschlagen war. Aber ob in Jeans oder Anzügen, die Männer, die ihr gefielen, bedeuteten grundsätzlich Ärger.
»Man sollte meinen, ich hätt’s inzwischen kapiert«, murmelte sie.
Regungslos stand sie am Fuß der Treppe. Vielleicht lag es daran, dass die Wirkung des Verrot nachließ, oder daran, dass sie sich in einer eigenartigen, neuen Welt befand, oder der Grund war, dass sie einmal mehr mit dem Falschen ins Bett gefallen war – aber am liebsten wäre sie weggerannt und hätte sich verkrochen. Doch wenn sie rannte, würde sie noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, daher lächelte Chloe einigen der Gäste in dem schummrig beleuchteten Raum zu. Dann reckte sie die Schultern, marschierte zielbewusst zum Ausgang und ignorierte die wachsamen Blicke der Tavernengäste. Manche sahen wie Menschen aus, und bei anderen war sie sich nicht sicher, wie sie sie nennen sollte. Sie wusste nicht genau, was einen Menschen ausmachte. Die kleinen, stämmigen Burschen mit den großen Ohren, die tiefer im Schatten standen, und die gertenschlank wirkenden Wesen, die sich in der Nähe der wenigen Fenster aufhielten, wirkten alle größtenteils menschlich, bis sie genau hinsah. Dann wurden kleine Details offensichtlicher, und sie fragte sich, was verstörender war, dieses leicht Andere oder die Bloedzuiger, die sich
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