Arrivederci amore, ciao
denen, die ich sonst verraten würde, ist jemand, der ihm nahe steht.«
Ich klappte das Notizbuch zu und warf einen Geldschein auf den Tisch.
»Du hättest wirklich den Tod verdient«, sagte er ernst.
»Mach dich nicht lächerlich.« Ich ging, sicher, dass ich ihn nie wieder sehen würde.
Ein paar Wochen später brach ich mit einem Schraubenzieher Régines Schreibtischschublade auf, nahm Schmuck und Geld und verließ ihr Leben für immer. Ich hatte vor, mich am nächsten Tag der italienischen Polizei zu stellen, aber bevor ich in den Knast wanderte, wollte ich mir noch einen schönen Tag machen. Den Schmuck versetzte ich für wenig Geld bei einem Hehler in Barbes und nahm in der Gare de Lyon den Zug nach Nizza, wo ich mir ein Zimmer im Luxushotel, eine teure Nutte und ein gutes Restaurant gönnte. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich keinen Franc mehr in der Tasche. Zur Grenze kam ich per Anhalter.
Bevor sie mich ins Gefängnis San Vittore brachten, lieferten die Bullen mich bei der Antiterror-Spezialeinheit im Polizeihauptquartier von Mailand ab. Sie setzten mich in einen Verhörraum. Eine Menge Kippen am Boden, an den grünlichen Wänden einige Blutspritzer und viele Kaffeeflecken. Die Bullen zielten gern mit Pappbechern voll miesem Kaffee nach den Verdächtigen, um ihnen zu zeigen, dass sie ihre Lügengeschichten nicht schluckten. Insgesamt war ich innerlich ruhig. Ich hatte mich gestellt und in die Hände des Gesetzes begeben. Was sollten sie mir jetzt noch anhaben? Ein Typ kam herein, meine Akte unterm Arm. Er war groß, dick, hatte ein niederträchtiges Gesicht und trug einen gut geschnittenen Anzug. Ich senkte den Blick zu seinen Schuhen. Unverkennbar kostspielig. Entweder aus reicher Familie oder korrupt. Ich entschied mich für die zweite Alternative und entspannte mich. Er knallte die Papiere auf den Tisch und setzte sich. »Ferruccio Anedda. Ich bin der Leiter der Spezialeinheit.«
Ich beschränkte mich auf ein serviles Nicken. Bullen haben immer gern die Situation im Griff. Ich wollte keinen Ärger.
»Wer hat dich dazu gebracht, Südamerika zu verlassen?«, fragte er, um mir gleich zu zeigen, dass sie mehr wussten, als ich dachte.
»Das war meine eigene Entscheidung. Ich will reinen Tisch machen …«
Er versetzte mir unter dem Tisch einen Tritt. »Wir wissen alles. Du hast die Arschlöcher in Paris erpresst, und jetzt wollen sie dem Gericht eine Komödie vorspielen.«
Ich sah ihn bewundernd an. »Habt ihr einen Spion in Paris?«
Er neigte den Kopf zur Seite. »Einen?«, fragte er ironisch.
»Was wollt ihr?«
»So gefällst du mir«, sagte er zufrieden. Dann schlug er einen anderen Ton an. »Wir wollen die Namen von allen, die nie identifiziert wurden. Vor allem die der Unterstützer. Sonst gehe ich mal in einem passenden Moment auf einen Schwatz beim Vorsitzenden Richter vorbei, und dann musst du für die Sache mit dem Nachtwächter ganz allein geradestehen.«
»Die Anwälte sagen, ich soll mich nicht als Kronzeuge zur Verfügung stellen«, wagte ich zu bemerken, um den Verhandlungsspielraum auszutesten.
»Wir wollen dich nicht als Kronzeugen. Wozu auch. Die Organisation ist seit Jahren aufgelöst. Wir wollen nur die Leute beobachten, für den Fall, dass es einem von denen in den Sinn kommt, die Sache wiederzubeleben, dann bemerken wir das sofort und ersparen uns einen Haufen Arbeit.«
»Und was hab ich davon, außer dass ich den Nachtwächter los bin?«
»Du kriegst kein Lebenslänglich, reicht dir das nicht?«
Ich breitete die Arme aus. »Ich kann euch sehr nützlich sein.«
Der Bulle prustete. »Wir können dafür sorgen, dass dein Aufenthalt im Knast etwas bequemer wird.«
Ich zündete mir eine Zigarette an und durchstöberte mein Gedächtnis. Eine Stunde darauf war die Organisation ein für alle Mal erledigt. Ich hätte auch noch Informationen über andere Gruppen auf Lager gehabt, die ich im Laufe der Jahre kennengelernt hatte, aber ich wollte nicht alles Pulver auf einmal verschießen. Dieses Wissen konnte mir später noch nützlich sein. Ich war schon immer ein guter Zuhörer, und das Milieu des bewaffneten Kampfes in Italien glänzte durch restlose Missachtung sämtlicher Sicherheitsregeln. Angeblich waren diese Regeln eisern und dazu geeignet, die Organisation zu schützen, aber in Wirklichkeit respektierte sie kein Mensch, jeder gab seiner Schwäche für Klatsch und Tratsch bereitwillig nach.
Bereits am selben Nachmittag saß ich im Gefängnis. Sie
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