Arschloch!
Unterschreiben. Manche, wie ich zum Beispiel, fügen noch ein Emoticon, einen J an. Meiner ist so groß, dass ich ihn sogar auf meinem kleinen Kameradisplay erkennen kann. Als ich mit meiner Runde fertig bin, schneide ich, anstatt zu arbeiten, mit meinem Powerbook noch schnell eine exklusive Version meines Films für ihn zurecht, logge mich als Carola in meiner Community ein und beende ihre Mitgliedschaft.
Ich fahre zu ihm ins Krankenhaus, darf ihn aber nicht in seinem Zimmer besuchen, weil er schläft und immer noch sehr müde ist. Weil ich dann nicht weiß, was ich machen soll fahre ich in die Stadt, parke an der Stubengasse und gehe durch die Fußgängerzone, in der ich mich in den Schaufenstern umschaue, die herrlich dekoriert sind. Die Salzstrasse und der Prinzipalmarkt sind schon schöne Fleckchen. Immer gibt es etwas Wunderbares zu entdecken. Neue Digitalkameras, Klamotten, Parfums, Uhren, Schuhe, Ohrringe, Schnickschnack. Wenn doch nur nicht diese Penner dort rumhängen und das tolle Stadtbild zerstören würden! Sitzen zwischen den schönen Läden, in ihrem Gammellook, der mega uncool ist und betteln um Geld. Ich bin obdachlos und habe nichts zu essen. Kinder, gebt schön in der Schule acht, sonst endet ihr hier. Können Sie mir mit einer kleinen Spende für das Essen helfen? Habe keine Arbeit. Dann such dir doch eine! Ich hasse diese Penner. Man sollte die Häuser sozialer Einrichtungen und Pflegebedürftiger gemeinsam mit den Insassen abbrennen. Ich würde sie nicht vermissen und ich werde nicht mehr so tatenlos zuschauen, wie dieser Abschaum die lebenswerteste Stadt der Welt in den Dreck zieht.
12.11.2005
„Ich habe noch eine Flasche Jägermeister daheim. Ich wohne gleich hier vorne. Wir trinken erstmal ein bisschen und dann machen wir uns auf den Weg in die Stadt“, sage ich zu dem Penner, den ich grade eben zu einem Döner eingeladen habe und der genauso aussieht wie Stefan Raab und zufälligerweise auch Stefan heißt.
„Das ist sehr freundlich von Ihnen. Vielen Dank!“
Er folgt mir bis in meine Wohnung und als er sich erstaunt meine Handysammlung anschaut, überrasche ich ihn mit einer Ladung Chloroform und mehreren Metern Gaffatape. Es dauert nicht lange, dann habe ich ihn in meiner Küche an einen Stuhl gefesselt.
Ich entledige mich meiner nach Penner stinkenden Klamotten und meiner Verkleidung - einer blonden Kurzhaarperücke und einem langen dunkelbraunen Schnauzer - wasche mich, trockene mich ab, creme mich ein und ziehe mir einen Trainingsanzug an. Ich ziehe eine Spiderman-Maske über, die ich mir vor ein paar Tagen zugelegt habe und betrete die von Mounia frisch geputzte Küche, die von der Optik her prima in einen Möbelhauskatalog passen würde. Der Penner schläft. Ich nehme den Knebel kurz ab, stopfe ihm meine stinkenden und nass geschwitzten Socken in den Mund und klebe alles mit einem großzügigen Streifen Gaffa wieder zu.
Moritz nutzt die Zeit bis zum Aufwachen, um sein Werkzeug vor dem Penner auf dem Küchentisch aufzureihen und seine Kameras zu positionieren. Insgesamt filmt er aus vier Perspektiven. Frontal mit einem Meter Abstand, von oben und hinten aus der Ecke, beide mit dem Fokus auf seinen Oberkörper. Die letzte Kamera legt er auf den blitzblank gewischten Boden, so dass man seine Füße sehen kann, die mit reichlich Gaffatape an den Stuhlbeinen fixiert sind. Aus diesen Aufnahmen wird er einen Splitscreen machen. Die Kamera neben der Kamera neben der Kamera neben der Kamera. Sozusagen.
Da Stefan nach dem Set-Aufbau immer noch nicht wach ist, holt Moritz sein Powerbook rüber in die Küche und stellt es auf sein Ceranfeld. Er schließt seine Aktivboxen an und macht sich etwas Musik. Auf Robbie Williams hat er jetzt richtig Bock. Er wählt eine zufällige Wiedergabe der Robbie Williams Hits, die er auf seinem Powerbook gespeichert hat und als die ersten Töne von >Rock DJ< zu hören sind, dreht er sich zu dem Penner und singt laut mit: Me with the floorshow . Da er immer noch schläft, Kickin‘ with your torso , tritt er gegen seine Beine. Boys getting high . Sein Sneaker landet etwas höher. And the girls even more so . Er gibt ihm ein paar Ohrfeigen. Wave your hands if your not with the man . Nach der dritten reagiert der Kerl. Can I kick it? Moritz tritt erneut gegen ihn und der Penner öffnet die Augen und blickt sich um. Er bemerkt, dass irgendetwas in seinem Mund steckt. Dass er sich nicht bewegen kann. Dass er nicht reden kann. Wahrscheinlich fragt er sich, wo
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