Arschloch!
Kilo Blutwurst und 200g Schweinskopfsülze.
„Darf‘s auch ein bisschen mehr sein?“, fragt mich die Verkäuferin, die irgendetwas von Sandra Maischberger hat.
„Na, klar. Bei der guten Schweinskopfsülze doch immer! Ach, wissen Sie was, machen Sie gleich 300g draus.“
Als ich wieder in meiner Wohnung bin, ziehe ich die neuen Handschuhe über, stelle meine Kamera in der Küche auf und starte die Aufnahme. Ich schnappe mir meine Geflügelschere und schneide das Baby in Einzelteile, was einfach geht, schließlich benutze ich ein Qualitätsprodukt, das spielend leicht durch den Kunststoff schneidet. Vielleicht geht das bei einem richtigen Baby genauso leicht. Diese Frage sollte ich mal ins Kopernikusforum stellen. In einer ihrer Reportagen haben die ja berichtet, dass Knochen erst viel später richtig hart werden. Aber geht das dann trotzdem genauso leicht wie bei einer Puppe? Und ob Aiman Ablablabla diese Frage durch eins seiner XXL-Experimente beantworten kann? Meinem Vorschlag mit der Schweinskopfsülze sind die Fotzen nicht nachgegangen. Sie haben den Beitrag nach ein paar Tagen aus dem Forum gelöscht. Ja, ja, der blöde Aiman Ablablabla, sein Expertenteam und sein Scheißquotenneger! Die haben doch keine Ahnung was wirklich interessant ist! Wer nicht fragt, bleibt dumm und der ganze Mist. Dieses Scheißfernsehprogramm haben wir der Sesamstrasse zu verdanken.
Ich lege die Schere zur Seite, schnappe mir die frische Blutwurst und schmiere die Extremitäten, den Rumpf und den kleinen abgeschnittenen Kopf mit ihr ein. Die süßen blauen Kulleraugen öffnen und schließen sich dabei mehrmals. Ich setze mit dem Tomaten Ketchup noch ein paar Highlights, dann nehme ich die Kamera vom Stativ und zoome von oben auf mein Kunstwerk. Es sieht fantastisch aus. Wie ein zerrissenes Baby. Ist eigentlich viel zu schade, das Meisterwerk an die dumme Pute zu schicken.
Ich wickele den Babykadaver in Zeitungspapier ein, stecke das Ganze in den Karton, klebe ihn zu und beginne damit, Überschriften aus meinen gesammelten FHM-Ausgaben zu suchen und die passenden Buchstaben auszuschneiden. Diese klebe ich auf ein weißes DIN A4 Blatt. Der Text lautet:
MAmA! WIESO HaST DU DAS GEmAChT ?
Nachdem ich meine Kollage fertig gestellt habe, bin ich richtig stolz auf mich. Der Zettel sieht so aus, wie man sich einen Erpresserbrief vorstellt. Ich drucke Annes Adresse aus und klebe sie anschließend auf den Karton. Um einen Absender zu haben, erfinde ich eine Firma. Und zwar die Beautiful Aging Schönheitsfarm GmbH aus Senden. Der Heini bei der Post wird das sicherlich nicht bemerken. Der hat den ganzen Tag irgendwelche Hackfressen vor der Linse, die irgendetwas verschicken wollen, da wird es ihn nicht interessieren, was ich verschicke und ob alles seine Richtigkeit hat. Der ist froh, wenn er Feierabend hat und an seinem Bier nippen darf. Ich klebe den Karton zu, sprühe mich voll mit meinem Parfüm, behalte meine Handschuhe an und fahre zur Post. Es ist herrliches Wetter. Der schönste Sonnenschein seit langem, selbst wenn es saukalt ist.
Nachdem ich mein Auto in der Nähe des Bahnhofs geparkt habe, besprühe ich mich erneut mit dem Parfum. Ich bin richtig verschwenderisch, bis es in der Nase brennt. Aber: Es gibt keinen Luxus ohne Parfum. Das hat Karl Lagerfeld gesagt, glaube ich zumindestens.
Ich gehe hinein in die Post und als ich endlich an der Reihe bin, bitte ich den Postbeamten, der wie der Glöckner von Notre Dame aussieht, nach einer üblichen Zustellung. Da ich immer noch Handschuhe trage, werde ich merkwürdig angeschaut, und ich erkläre ihm, dass diese einzigartigen weißen Lederhandschuhe mich vor Bakterien schützen.
„Sie ahnen nicht einmal, was alles um Sie herum passiert! Wenn Sie nur wüssten!“ Er verdreht seine Augen. Ich bin die Art Kunde, die er so schnell wie möglich loswerden will. Solche kenne ich genau. Dann tippe ich mit meinem rechten Zeigefinger auf die aufgeklebte Absenderadresse. Er begreift schnell. Beautiful Aging Schönheitsfarm GmbH aus Senden. Für ihn bin ich ein Beautyfreak. Mein Parfüm hat er sicherlich bemerkt, denn so dick, wie ich es aufgetragen habe, ist es überhaupt nicht zu überriechen. Es sei denn, seine Nase funktioniert nicht richtig. Blinde können nicht sehen. Taube können nicht hören. Stumme nicht sprechen. Wie heißen eigentlich Menschen, die nicht riechen können? Und wie häufig kommen die vor? Das sollte man mal Aiman Ablablabla fragen.
13.12.2005
Im Stern, der heute auf
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