Arsen und Apfelwein
Jenny fragte sich, wie die Dinger hielten. Er verschwand im Büro und Jenny folgte mit Sascha und Logo im Schlepptau. Hinter einem brusthohen Tresen saß Logos Eroberung. Jenny hatte seine Exfreundin Marion flüchtig gekannt und sie als intelligente Frau eingeschätzt. Angelika Kralitzki machte einen komplett anderen Eindruck. Ihre Haare waren weißblond gebleicht und hingen in pudelähnlichen Locken um ihr Gesicht, das von einer riesigen hellblau umrandeten Brille fast verdeckt wurde. Jenny sah an ihr herunter. Ihre rosafarbene Rüschenbluse enthüllte Gaben, die sicher nicht naturgegeben waren. Die Nägel hatten französische Maniküre und waren so lang, dass Jennys Nackenhaare sich aufstellten. Der Strass darauf tat sein Übriges.
Die Blondine sprang auf und hüpfte fast hinter dem Tresen auf und ab. »Herr Stein«, quietschte sie mit Kleinmädchenstimme. »Da sind Sie ja wieder. Das ist Timmi, mein kleiner Bruder. Natürlich nicht so viel kleiner.« Sie kicherte kokett. Jenny schätzte sie unter ihrem Make-up auf mindestens dreißig.
Logo setzte sein bestes Schafslächeln auf. »Wo können wir uns denn mit Timmi unterhalten?«
Sie blickte sich hilflos um. Jenny ging dazwischen. »Am besten gehen wir in die Mensa. Das ist Ihnen doch recht?«, wandte sie sich an Timmi, der verständnislos von einem zum andern blickte. »Was’n überhaupt los? Um was geht’s ’n? Geli, wer sind’n die?«
Sie blickte ihn böse an. »Mensch, das sind Polizisten. Benimm dich, die wollen dich was fragen!«
»Was’n?« Er schien nicht beeindruckt.
Jenny nahm ihn am Arm. »Das erzählen wir Ihnen in der Cafeteria. Ich lad Sie ein.«
Bei der Aussicht erhellte sich sein Gesicht. »Okay.« Widerspruchslos folgte er ihr.
In der Cafeteria belud er sich das Tablett mit Schnitzel samt Beilagen, zweimal Nachtisch und einem Literbecher Cola. Sascha stand ihm kaum nach, während Logo und Jenny sich mit einem belegten Brötchen begnügten. Jenny sah Timmi einen Moment beim Essen zu, ein Anblick, der ihrem eigenen Appetit nicht zuträglich war. Sie legte ihr angebissenes Brötchen weg und beugte sich vor.
»Marc Duprais«, begann sie ohne Einleitung. »Was wissen Sie über ihn?«
Timmy Kralitzki stoppte mitten im Kauvorgang und schluckte hektisch. Er sah sich um, als könne sie jemand belauschen.
»Was woll’n ’sen mit dem?«
»Das tut nichts zur Sache. Erzählen Sie mir einfach alles, was Sie über ihn wissen.«
Er kaute zu Ende und zögerte. »Kenn ihn nicht, war nur in ein paar Kursen mit ihm. Letztes Jahr.«
»Wie viele Studenten sind in den Kursen?«
»Vielleicht zweihundert.«
»Da kennen Sie doch sicher nicht alle?«
Er schüttelte den Kopf und verteilte dabei Pommes-Krümel. »Ne, aber den kennt jeder. So’n Promityp irgendwie. Die Tussen stehen drauf.«
»Er sah ja auch gut aus«, ermutigte Jenny ihn.
Timmi verzog das Gesicht. »Wer drauf abfährt. Hat auch irgendwie so was Gefährliches. Stehn die Weiber ja auch drauf.« Er lachte meckernd.
»Gefährlich?«, mischte sich Logo ein. »Wie meinst’en das?«
»Ich sag lieber nix mehr. Der und seine Kumpels, mit denen legt man sich besser nich an.«
»Wieso, was passiert dann?«, fragte Jenny nach.
Timmi war um eine Antwort verlegen. »Weiß auch nich.«
»Warum sagste dann so was?«, fragte Logo und verfiel unwillkürlich in den Slang des Jungen.
Der zuckte mit den Achseln. »Einfach so’n Gefühl. Die wirken gefährlich. So wie Drogendealer. Hab aber nie mitbekommen, dass die gedealt haben!«, beeilte er sich, hinzuzufügen.
Jenny konnte mit der Auskunft wenig anfangen. »Wer sind denn die ? Namen bitte.«
»Weiß ich doch nicht. Typen, die immer mit ihm rumgehangen haben. Sind hinter ihm hergelaufen wie Schafe.«
»War’n die auch in den Kursen?«
»Nur einer. So’n junger. Den hab ich aber nur ein- oder zweimal mit denen gesehen. Haben ihn wohl nicht aufgenommen.«
»Aufgenommen? Hatten die so eine Art Gang?«
»Mann ’ne, was sehen Sie denn für Filme? Der Duprais is in so ner Studentenverbindung. Hatt’ ich das nicht gesagt?«
»Nein …«
»Ach so, na ja. Geile Sache. Wie in Amerika. Was ganz Elitäres.«
»Ich nehm mal an, da durfte nicht jeder rein?«
»Nee. Man erzählt sich, die hätten irre schwere Aufnahmebedingungen. Aber was genau, da redet keiner drüber.«
»Wie bewirbt man sich denn um eine Aufnahme?«
»Gar nicht. Der Duprais spricht die Leute an.«
»Woher weißt du das so genau?«, mischte sich Logo ein. »Auch mal
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