Arsen und Apfelwein
die Forderungen einzugehen?«
»Meinst du wirklich, sie würden so weit gehen, den Sohn umzubringen, damit der Vater zahlt? Aber warum haben sie uns dann geholfen?«
»Igor Musskajews ist ein intelligenter Mann und mit allen Wassern gewaschen. Wie hätte er besser den Verdacht von sich ablenken können?«
Logo blieb stumm.
Im Präsidium ging Jenny auf direktem Weg zu Biederkopf. Sie war gespannt und ein bisschen aufgeregt. Wie würde er sich wohl ihr gegenüber verhalten? So reserviert wie in den letzten Monaten oder so vertraulich wie auf der Weihnachtsfeier? Und was war mit seiner Freundin?
Sie klopfte und trat ein. Er blickte auf und lächelte. Bevor sie etwas sagen konnte, stand er auf, kam um den Schreibtisch herum und nahm sie am Arm. »Jenny, ähm, Frau Becker. Ich wollte die ganze Zeit schon bei Ihnen vorbeikommen. Aber was hier zur Zeit los ist …«
Jenny lächelte zögerlich und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
Er sah ihr in die Augen. »Ich habe unseren Tanz sehr genossen. Schade, dass er so rüde unterbrochen wurde. Wie geht’s dem Jungen?«
»Stabil, aber noch im Koma.«
Biederkopf ging zurück hinter seinen Schreibtisch und wurde geschäftsmäßig. »Ich befürchte, Sie sind nicht nur zu einem Besuch hier? Was gibt’s denn?«
Jenny war durch die Begrüßung der Wind aus den Segeln genommen. Wesentlich weniger energisch als beabsichtigt, bat sie, von Schaubert vorladen zu dürfen.
Biederkopf verzog das Gesicht. »Das hatten wir doch schon. Nur weil er zum Freundeskreis Marc Duprais’ gehört?«
»Duprais scheint eine Art Ableger seiner Burschenschaft oder vielmehr Studentenverbindung gegründet zu haben. Sehr geheimnisvoll. Wir müssen Genaueres herausfinden und von Schaubert war mit Sicherheit beteiligt.«
»Und wie soll das mit Duprais’ Tod zusammenhängen?«
Darauf wusste Jenny keine überzeugende Antwort. »Das eben wollen wir herausfinden.«
Biederkopf überlegte einen Moment, dann lehnte er sich zurück. »Ein Vorschlag zur Güte. Sie gehen erst allen anderen Spuren nach. Prüfen Sie die Fotos von diesem Igor wieheißternochgleich. Warten Sie ab, was Sie von der Botschaftsmitarbeiterin erfahren. Dann kommen Sie noch mal zu mir.«
Jenny war enttäuscht. Sie presste ein »Gut, wie Sie meinen« heraus und stand auf.
Biederkopf erhob sich ebenfalls. »Jenny«, meinte er leise. Doch sie war schon auf dem Weg zur Tür.
»Wiedersehen«, warf sie ihm über die Schulter zu und ging. Alles kam wieder hoch. Seine Reserviertheit, die andere Frau, die berufliche Abfuhr, die er ihr kürzlich erteilt hatte, und der ganze Frust, den der Fall in ihr hervorrief. Mutlos lief sie den Gang entlang. Kurz entschlossen bog sie Richtung Schießstand ab.
Kevin unterrichtete gerade eine Gruppe junger Polizeianwärter und sah in Cargohosen und schwarzem Shirt äußerst lässig aus. Sie sah einen Moment durch die Scheibe zu. Er entdeckte sie und winkte.
Nach einer Viertelstunde war die Lektion zu Ende, er überwachte das Wegschließen der Waffen und kam zu ihr geschlendert. Jenny fühlte ein unwillkommenes Kribbeln im Bauch, als er auf sie zukam.
»Hi«, meinte sie wenig originell.
»Auch hi«, antwortete er mit einem vieldeutigen Grinsen. Offensichtlich war ihm mehr als bewusst, wie unbehaglich sie sich fühlte. Sie suchte unauffällig nach einem Namensschild, aber natürlich trug er keines.
»Ich wollte dir nur berichten, dass dein Tipp fruchtbar war. Es sieht so aus, als könnte ich einen Kontakt in die Botschaft herstellen. Offensichtlich sind auch Personenschützer nicht vor Techtelmechteln sicher.«
»Ohne Witz?« Er lachte.
Sie nickte. »Ohne Witz. Bitte frag nicht, um wen es sich handelt, dann komm ich nicht in die Versuchung, mein Versprechen zu brechen.«
Er winkte ab. »Hauptsache, es hilft bei deinem Fall.«
»Bleibt abzuwarten. Ich muss weiter. Mach’s gut.«
Er grinste und sah ihr nach, wie sie den Gang entlanglief. Sie spürte seinen Blick im Rücken, drehte sich aber nicht um.
Das Büro war leer. Sie rückte ihren Monitor zurecht und googelte Studentenverbindungen. Ein Querverweis leitete sie zu Burschenschaften. Über eine Stunde las sie sich intensiv in die Thematik ein. Anscheinend hatten sie in Deutschland eine lange Tradition und es gab sie nach wie vor häufig. Ungläubig schüttelte sie am Ende den Kopf. Wie passten die traditionellen Werte und die üblicherweise rigide Hierarchie zu Marc Duprais? Die Verbindung musste zur Tarnung für andere, vermutlich kriminelle
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