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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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einer Amputation gleichkam.
    »Das scheint eine Raumstation zu sein«, sagte Rahil. Sammaccan konnte ihn nicht verstehen, aber er sprach trotzdem, denn es half ihm, seine Gedanken in geordnete Bahnen zu lenken.
    Der dunkle Fleck rückte näher; klare Umrisse zeichneten sich ab und schließlich Details. Lange Zylinder ragten aus einem zentralen Konus und rotierten langsam, geschützt von riesigen Reflektoren, die die Strahlungsfluten des Riesensterns ablenkten. Dieser Sonnenschild war es, der Rahil den ersten Hinweis bot, denn Krümmungsfelder und energetische Blocker erfüllten den gleichen Zweck weit effizienter.
    »Das ist keine gewöhnliche Raumstation, sondern …« Er versuchte sich zu erinnern, kramte in einem Gedächtnis, das ihm ohne die Hilfe der Femtomaschinen atrophisch erschien. »Es ist eine Festung, vom Typ Goliath, wenn ich mich nicht sehr irre. Sie muss mindestens dreitausend Jahre alt sein, Sammaccan, und es bedeutet, dass dieser blaue Riese zu den Barrieresternen gehört.«
    Hinter ihm keuchte der Polymorphe, und Rahil sah dessen Spiegelbild im Fenster, als der Shifter den Kurs veränderte und die alte Festung von der einen Seite des Fensters zur anderen glitt. Sammaccans Haut wurde hart und steif, und er streckte Arme und Beine, die in langen Tastfäden endeten. Wie viel Kraft kosteten die Veränderungen, die Sammaccan nicht unter Kontrolle hatte?, fragte sich Rahil. Und welche Art von Interdiktion, die Femtomaschinen lahmlegte, nahm einem Polymorphen von Heraklon die Möglichkeit, eine feste, stabile Gestalt zu gewinnen?
    »Die Barrieresterne sind nicht weit vom Sagittariusbruch entfernt«, fuhr Rahil fort und beobachtete die alte Festung, deren Reflektoren seit drei Jahrtausenden dem enormen Strahlungsdruck eines blauweißen Riesensterns ausgesetzt waren. »Damals gab es hier Zapfer, die einen Teil der Sonnenenergie aufnahmen; sie sollten die interstellaren Sprungvektoren verändern. Die alte Erde fürchtete einen Angriff der Tia aus dem Orionarm, und man glaubte, Angriff sei die beste Verteidigung. Damals …« Er zögerte und suchte erneut in seinem Gedächtnis. »Die Imperialen Ingenieure schufen ein Schwarzes Loch und schickten es durch einen modifizierten Sprungsektor zur Zentralwelt der Tia.«
    Hinter ihm krächzte Sammaccan, und Rahil dachte: Kriege, immer wieder Kriege. Das ist unsere Geschichte. Kein Wunder, dass uns einige der Hohen Mächte ablehnend gegenüberstehen.
    Dieser Gedanke führte zu einem anderen, der ihn daran erinnerte, dass er schon seit einer ganzen Weile nicht mehr das Lied der Kosmischen Enzyklopädie gehört hatte. Das Verlangen danach überfiel ihn mit solcher Wucht, dass ihm die Knie weich wurden. Mit einer Hand stützte er sich am Fenster ab, das trotz der Nähe des blauen Riesen kühl war.
    »Ich dachte, das Ereignis hätte die Festungen aller Barrieresterne zerstört«, sagte Rahil und bemühte seine ganze Willenskraft, um das unerfüllbare Verlangen niederzuringen, verfluchte dabei den Ascar, der ihm die Rüstung genommen und die Femtomaschinen blockiert hatte. In seinem eigenen Bewusstsein lauerten verräterische Fallen, an denen ihn das Empirion bisher vorbeigeführt hatte. »Aber offenbar habe ich mich geirrt. Die Frage lautet: Warum bringt uns der Ascar ausgerechnet hierher? He, was ist das?«
    Etwas löste sich von der Masse der alten Festung und näherte sich dem wartenden Shifter: eine Kugel mit abgeflachten Polen und zahlreichen Buckeln. Rahil versuchte, weitere Einzelheiten zu erkennen, aber plötzlich wurde das Fenster dunkel.
    »Schiff?«
    »Ich höre.«
    »Ich möchte sehen, was draußen geschieht.«
    Es blieb still.
    »Schiff?«
    »Ich habe neue Anweisungen erhalten. Dies ist meine letzte Mitteilung. Die Kommunikation mit Ihnen wurde mir untersagt.«
    Stille folgte diesen Worten, und Rahil lauschte ihr einige Sekunden. Er hörte nicht einmal mehr das leise Summen, das aus dem Schiff kam und sie bisher begleitet hatte. Der Shifter ruhte, schien wie sie zu warten.
    Sammaccan rutschte aus dem Sessel neben dem Bett und kroch, noch immer mehr Insekt als Mensch, zur nahen Hygienezelle, deren Tür sich vor ihm öffnete. Wimmernde Geräusche kamen aus seiner Mundöffnung.
    Halb in der Hygienezelle erbrach sich der Polymorphe, und eine Lache aus halb verdautem Brei bildete sich auf dem Boden, der fast sofort darauf reagierte und das Erbrochene absorbierte.
    Echtes Mitgefühl regte sich in Rahil, ungedämpft von der Rüstung, und einige schnelle Schritte

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