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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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verwandelte sich wieder in den knapp zwanzig Jahre jungen Mann mit den hageren Armen, schmalen Händen und großen Augen in einem seltsam flach wirkenden Gesicht. Simulierte Kleidung erschien, aber nicht überall gleichzeitig.
    »Kommen Sie jetzt, Rahil Tennerit.« Der Ascar winkte mit der Waffe. »Sie werden übergeben.«
    Er kann es gar nicht erwarten, mich loszuwerden, dachte Rahil und trat in den Korridor, gefolgt von Sammaccan, der Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten. Als Rahil ihn stützte, flüsterte der Polymorphe etwas. »Tut mir leid, aber ich verstehe dich nicht.«
    »Seien Sie still, Rahil Tennerit«, schnarrte der Ascar hinter ihnen. »Sprechen Sie nur, wenn Sie dazu aufgefordert werden.«
    Als sie durch den Gang schritten, umgeben von glatten grauen Wänden, erinnerte sich Rahil an die Worte des Kurators in der Ägide-Station bei Ganska. Vor einigen Wochen erfuhren wir von unserem Missionar auf Kattinga, dass die Großen Familien des Dutzends einen Ascar auf Sie angesetzt haben.
    Die Großen Familien, dachte er. Fast hundert Jahre waren vergangen, seit Jazmine und er damals von Caina geflohen waren. Wollte ihn der Ascar einem Gesandten der Großen Familien übergeben? Wer hatte jetzt die Macht im Dutzend? Was war aus Coltan Jaqiello Tennerits Kriegsplänen geworden?
    Der Kurator hatte noch etwas gesagt, fiel Rahil ein: Es könnte einen Zusammenhang mit Ihrem Tod auf Heraklon geben.
    Andere Worte flüsterten in Rahils Gedächtnis, als sie an mehreren offenen Türen vorbeikamen, hinter denen sich Instrumentenräume mit aktiven virtuellen Kontrollen erstreckten. Worte, die Milissa Gauwain an ihn gerichtet hatte. Vor siebenundachtzig Jahren kam ein Schiff des Dutzends nach Heraklon. Es brachte einen neuen Botschafter für die Große Versammlung. Und es machte einen Abstecher in die arktische Region von Heraklon.
    Die erste Überraschung erwartete Rahil am Ende des langen, gewölbten Korridors. Als sich dort die Tür öffnete, gab der Ascar dem Schiff eine Anweisung, aber entweder hatte er zu lange damit gewartet, oder die Maint, ob Bewusstseinsschranke oder nicht, ließ sich zu viel Zeit damit, die Anweisung auszuführen. Das breite Fenster in der gegenüberliegenden Wand, vom Formspeicher des Shifters geschaffen, trübte sich zwar, aber Rahil erkannte eine halbtransparente Kugel, die mit dem Schiff verbunden zu sein schien.
    Verblüfft blieb er stehen. »Ein Interkosmisches Vehikel? Die Hohen Mächte sind an dieser Sache beteiligt?«
    Der Ascar hob die Waffe. »Gehen Sie weiter, Rahil Tennerit.«
    Nur eine Minute später betraten sie den Hangar des Shifters, und dort gab es für Rahil die zweite, noch größere Über raschung.
    Zehn Männer und Frauen in blauschwarzen Uniformen standen dort neben einem Atmosphärenschild, durch den ein energetischer Tunnel zu dem Kugelschiff führte, das Rahil zuvor aus dem Fenster ihrer Zelle gesehen hatte. Dort war die Schleuse ebenfalls geöffnet, und helles Licht fiel auf weitere uniformierte Gestalten.
    »Hier ist der Gefangene«, sagte der Ascar und trat beiseite. »Die Übergabe findet jetzt statt. Meine Mission ist erfüllt.«
    Ein Mann trat hinter den Uniformierten neben dem Atmosphärenschild hervor und kam näher. Er war mittelgroß und schlank, schien um die sechzig zu sein und war ähnlich gekleidet wie die anderen. Allerdings fehlten bei seiner Uniform die blauen Ausrüstungstaschen, und an den Schultern glänzten silberne Spangen.
    Rahil stand sprachlos da und glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können.
    »Ich verstehe deine Überraschung«, sagte der Mann, ohne zu lächeln. Kühle lag in den Augen, und das Gesicht blieb verschlossen. »Viel Zeit ist vergangen. Aber ich bin es wirklich. Ich grüße dich, mein Sohn.«
    Vor Rahil stand Coltan Jaqiello Tennerit, sein Vater.
    30
    Heraklon , schien das Summen des Schiffes zu flüstern. Heraklon, dachte Rahil. Dort entschied sich die Zukunft der Menschheit. Dort lagen die Antworten auf seine Fragen.
    Der Formspeicher des Shifters hatte eine Art Lounge geschaffen, mit einem breiten Panoramafenster, das einen ungewohnten Anblick bot. Es zeigte nicht den M-Raum mit seinen 10 500 Universen, von den menschlichen Sinnen wie Kugeln mit dem silbernen Glanz von Perlmutt wahrgenommen, sondern vertrautes All, schwarz und unendlich tief, darin Sterne und Nebel wie erstarrte Flammen. Aber nicht stationär, nicht statisch. Die Sterne bewegten sich und strichen vorbei, die näheren schneller als die weiter entfernten.

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