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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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trugen ihn zu Sammaccan, der unter der Interdiktion noch mehr litt als er selbst. Vorsichtig drehte er ihn auf die Seite, damit er nicht an seinem Erbrochenen erstickte. Wieder wimmerte der Polymorphe, erbebte dann am ganzen Leib wie in einem Schüttelkrampf. Rahil hielt ihn fest.
    »Ruhig, ganz ruhig«, sagte er, obwohl Sammaccan ihn nicht verstand. »Es geht dir schlecht, ich weiß, und du bist schwach. Du musst essen und das Essen für dich behalten, hörst du?«
    Drei Augen sahen zu ihm hoch, zwei aus Hunderten von grünblau schimmernden Facetten bestehend, das andere ver blüffend normal. Eine Zunge wie die einer Schlange tastete aus der Mundöffnung, und es folgte ein leises Zischen und Fauchen.
    Rahil drehte sich um, als er ein anderes Geräusch hörte.
    Der Ascar stand in der offenen Tür des Raums, der seit drei Tagen ihre Zelle war.
    Zwei Dinge fielen Rahil sofort auf: Die Gestalt in der Tür trug keinen Tarnanzug, und auf dem Rücken fehlte der Ekdysis- Kokon. Der dreieckige Kopf steckte diesmal nicht in einem Rezeptorhelm, sondern war halb von einem wie Seide glänzenden Tuch umhüllt. Unter der knochigen Stirn mit den Reifezeichen, die ohne das Empirion für Rahil bedeutungslos blieben, bewegten sich mattschwarze Augenbündel. Eine ebenfalls schwarze Kommunikationsmaske in Form einer breiten Sichel bedeckte die untere Gesichtshälfte.
    »Meine Mission endet hier, Rahil Tennerit«, schnarrte eine tiefe Stimme aus der Maske. »Sie werden übergeben.«
    »Sie verstoßen gegen die Gesetze der Bruch-Gemeinschaft und der Ägide«, sagte Rahil und fragte sich, ob er diese Worte auch mit der Rüstung gesprochen hätte. Sie klangen dumm und ineffizient, doch Zorn zwang ihn, sie an den Ascar zu richten. »Ich bin Exekutor der Ägide …«
    »Sie sind mein Gefangener«, unterbrach ihn der Ascar. Er wich in den Korridor zurück, und Rahil beobachtete, dass er ein wenig hinkte. Das Knie schien noch immer verletzt zu sein, obwohl es Behandlungsmethoden gab, die Knochenbrüche schnell in Ordnung bringen konnten. Trug der Ascar die Verletzung als eine Art Ehrenmal? Ohne das Empirion erinnerte sich Rahil kaum an die Ehrenregeln, und das war ein weiterer Nachteil, denn so konnte er nicht vorhersagen, wie der Ascar in bestimmten Situationen reagieren würde.
    Dadurch wurde jeder Fluchtversuch noch riskanter. Während der drei vergangenen Tage hatte Rahil zwar Zeit genug gehabt, darüber nachzudenken, aber mangelnde Konzentra tion und das ungewohnte Durcheinander der eigenen Gefühle machten ihm schwer zu schaffen. Wie sollten Sammaccan und er fliehen, solange die Gestalt des Polymorphen instabil blieb und sie sich nicht einmal verständigen konnten? Das Raumschiff, in dem sie sich befanden, schien ein Shifter zu sein, und das war, soweit Rahil erkennen konnte, der einzige positive Aspekt ihrer gegenwärtigen Situation – ein Shifter bot ihnen die Möglichkeit, nach Heraklon zu gelangen. Rahils lange Überlegungen, gestört von treibenden Gedanken und ungeordneten Emotionen, führten zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass sie auf eine günstige Gelegenheit warten mussten. Sie brauchten zusätzliche Informationen, um die Lage zu beurteilen und zu entscheiden, wann sie versuchen konnten, den Ascar zu überwältigen.
    Einen Ascar, der über einen besonderen Jagdinstinkt verfügte und einen Inhibitor in der Knochenhand hielt. Die Waffe bewies, dass er sie nicht töten wollte, zeigte aber auch, dass er auf alles vorbereitet war.
    Rahil fiel etwas ein. »Ich nehme an, Ihre Mission betrifft vor allem mich«, sagte er.
    »Das ist korrekt«, bestätigte der Ascar, dessen Augenbündel in ständiger Bewegung waren.
    »Mein … Assistent«, sagte er und deutete auf Sammaccan. »Das Interdiktionsfeld ist eine Belastung für ihn. Er leidet, obwohl er mit Ihrer Mission nichts zu tun hat. Wie lässt sich das mit Ihren Ehrenregeln vereinbaren?«
    Der Ascar zögerte, und hinter seiner Kommunikationsmaske ertönte ein Knarren, das nicht übersetzt wurde. Die Knochenfinger der freien Hand berührten ein kleines Gerät am Instrumentengürtel, und Rahil glaubte, eine Veränderung zu spüren. Für einen Moment war ihm, als erwachten die Femtomaschinen aus ihrem Schlaf, aber der Eindruck täuschte; sie blieben inaktiv.
    Sammaccan hörte auf zu wimmern. Einige Sekunden blieb er zitternd in der offenen Tür der Hygienezelle liegen, und dann wurde aus dem Zittern ein langsames Morphen, das Konturen und Struktur seines Körpers veränderte. Er

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