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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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bezogen.«
    Dampfmaschinen, dachte Rahil, als der letzte Waggon des langen Zuges vorbeirasselte und es ruhiger wurde. Wir hätten ihnen moderne Transportmittel geben können, automatische Produktionsanlagen fast wie Schmieden und leistungsfähige medizinische Technik. Stattdessen haben wir dafür gesorgt, dass Dampfmaschen mit das Modernste sind, was den Völkern von Heraklon zur Verfügung steht.
    Der Himmel wurde dunkler, und es dauerte nicht lange, bis die ersten Sterne erschienen. Rahil blickte aus dem Fenster und hielt nach Anzeichen von Gefechten in der Nähe des Planeten Ausschau, aber nirgends blitzte es. Im Osten ging ein Mond auf, und das wunderte ihn, denn Heraklon hatte gar keine Monde.
    »Die Hohen Mächte haben eine ihrer beiden Poleis im Lagoni-System ganz nahe an den Planeten herangebracht«, sagte er und drehte sich um. »Möchte dein Helfer eingreifen, Vater? Er wäre vielleicht imstande, das Artefakt zu neutralisieren und Heraklon den Frieden zurückzugeben.«
    »Ich weiß nicht, wozu die Hohen Mächte imstande wären«, erwiderte Coltan. »Ich weiß nur, dass sie dieser Welt ebenso we nig helfen wie die Ägide. Wer von beiden ist besser, wer schlechter? Wir sind auf uns allein gestellt, mein Sohn. Wir waren es immer. Aber wir werden nicht mehr lange hilflos sein.«
    Die ganze Zeit über war ein dumpfes Knirschen vom defekten Lager gekommen, und jetzt wurde es, trotz der langsamen Fahrt, zu einem Heulen lauter als das Zischen der Lok. Es folgte ein Klappern und Klacken, und ein Rad blockierte. Sammaccan betätigte hastig die Hebel, und nach einigen wenigen Metern kam die Lokomotive zum Stehen.
    Sie stiegen aus und sahen sich den Schaden an.
    Öl war aus dem defekten, heiß gelaufenen Lager gespritzt. Eine Führungsstange hatte sich gelöst, war zwischen die anderen Stangen geraten und hatte sie verbogen.
    »Kannst du das reparieren?«, fragte Rahil.
    »Ich allein? Nein, unmöglich.« Sammaccan stieß mit dem Fuß ans ölverschmierte Rad. »Das können nur richtige Techniker reparieren. Er deutete nach vorn in die Dunkelheit. »Wir müssen zu Fuß weiter.«
    »Wie weit ist es noch?«, fragte Coltan.
    »Nicht mehr weit. Einige Kilometer. Wenn wir uns beeilen, erreichen wie Lautaret, bevor die Zugänge zu den Nestern geschlossen werden.«
    Sie machten sich auf den Weg, nachdem Rahil den Beutel mit dem restlichen Proviant aus dem Führerhaus geholt hatte. Er enthielt nur noch zwei kleine Behälter mit klebrig gewordenem Brei, von dem Rahil trotz seines Hungers nichts essen wollte – vom Geruch wurde ihm übel. Coltan teilte seinen Abscheu nicht und verschlang den Inhalt des einen Behälters, und als Rahil den anderen Sammaccan anbot, schüttelte der den Kopf.
    »Vielleicht später.«
    »Stimmt was nicht?«, fragte Rahil, der vor einigen Minuten die ersten Anzeichen von Nervosität bei Sammaccan bemerkt hatte.
    »Es ist alles in Ordnung, Rahil Tennerit«, erwiderte der Polymorphe und schritt neben den Gleisen durch die Nacht. Rahil war für den neuen Mond an Heraklons Himmel dankbar, denn ohne sein Licht wäre die Nacht so finster gewesen, dass er nicht einmal zwei Meter weit gesehen hätte.
    »Kommt darauf an«, brummte Coltan, der auf der anderen Seite der Trasse ging, bei den Schienen, über die der lange Zug gekommen war.
    »Was kommt worauf an?«
    »Mach dir keine Sorgen, Rahil Tennerit. Ich komme zurecht.«
    »Du kommst mit was zurecht, verdammt?«, fragte Rahil mit plötzlich aufflammendem Ärger. Er war hungrig, er hatte Durst – leider gab es nichts mehr zu trinken –, und er war müde. Außerdem gingen ihm zu viele Fragen durch den Kopf, für die er keine Antworten hatte.
    »Mit den Vogelmenschen«, sagte Coltan, der trotz des Glühens der Polis am Himmel kaum mehr als ein Schemen war. »Hast du diesen Punkt bei deinen Missionsvorbereitungen übersehen? Oder hat er dich nicht interessiert?«
    »Sammaccan?«, fragte Rahil.
    Der vor ihm gehende Polymorphe murmelte etwas, so leise, dass der Interpreter nicht darauf reagierte.
    »Die Vogelmenschen von Lautaret sind in großen Familien organisiert, mein Sohn«, sagte Coltan und schien besondere Freude an den letzten beiden Worten zu haben. »Wie kleine Nationen in der größeren, die sie alle zusammen bilden. Vergleichbar vielleicht mit den Clans der Segler.«
    »Und?«
    »Einige dieser Familien haben Krieg gegen Munraha geführt, vor hundertfünfzig Jahren, nicht wahr?«
    Sammaccan murmelte erneut etwas, das der Interpreter nicht übersetzte.

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