Artefakt
ihnen führten zu völliger Autonomie und sogar Feindseligkeit den gewöhnlichen Menschen gegenüber wie bei den Seglern. Vor achthundert Jahren begann dann in den Denkfabriken von Bonafede im Sagittariusbruch das, was später die › Zweite Phase ‹ beziehungsweise › Diaspora ‹ genannt wurde: die Entwicklung von höherer Intelligenz. Was genau damals geschah, lässt sich heute nur schwer nachvollziehen, denn die Sonnensysteme im Sagittariusbruch waren direkt vom Ereignis betroffen, das die dortigen Planeten vollkommen verwüstete. Es wird vermutet, dass es der Diaspora, der ersten Generation der Veränderten, gelang, einfache biologische Schmieden zu konstruieren, primitive Uteri, gesteuert von Maints mit Bewusstseinsschranken. Wie sie das schafften, ist unklar.«
»Was sind Bewusstseinsschranken?«, fragte Sammaccan.
»Programme, die verhindern, dass eine Maschinenintelligenz ein eigenes Bewusstsein entwickelt.«
»Klingt nach einer guten Idee.«
Rahil seufzte innerlich. »Solche Schranken sind eine Vergewaltigung von Intelligenz, Sammaccan. Gerade du solltest ein offenes Ohr für die Freiheit des Denkens haben.«
»Ein offenes Ohr?«
»Besonderes Verständnis aufgrund der eigenen Situation«, erklärte Rahil. »Nun, die Humax, wie sie sich nannten – optimierte Menschen mit maximierter Intelligenz – waren steril, aber die Uteri schufen immer mehr von ihnen, und es dauerte nur fünfzig oder sechzig Jahre, bis sie die Macht in den Sagittarius-Systemen übernahmen. Sie dachten noch schneller und präziser als später Menschen wie ich, mit Femtomaschinen ausgestattete Missionare der Ägide, und wie die Segler neigten sie zu Langzeit-Plänen, die sich über einen Zeitraum von mehreren Generationen erstreckten. Sie begannen mit einer Hierarchisierung des Homo sapiens, indem sie Menschen für verschiedene Aufgaben schufen, mit abgestufter Intelligenz. Ihre Mittelsmänner brachten Uteri zu den Welten außerhalb der Sagittarius-Region, auch zur alten Erde, und diese Uteri schufen im Verborgenen neue Menschen, mit der Aufgabe, Einfluss zu gewin nen und schließlich die Macht zu übernehmen. Die Lage spitzte sich schnell zu, und etwa hundertfünfzig Jahre nach dem Brüten des ersten Humax geschah das Unvermeidliche.«
»Es kam zum Krieg?«
Rahil musterte den Polymorphen, sein flaches Gesicht mit den großen Augen, in denen sich keine Überraschung zeigte, die nicht einmal blinzelten. Hinter ihm stand die Lok und wartete darauf, sie nach Lautaret zu bringen.
»Ja«, bestätigte Rahil. »Es kam zum Krieg. Die menschliche Geschichte scheint eine Abfolge von Kriegen zu sein, und das ist einer der Gründe dafür, warum es bei den Hohen Mächten skeptische Stimmen gibt, Stimmen, die sich damals wie heute gegen eine Aufnahme der Menschheit in ihren Kreis ausgesprochen haben. Ja, es kam zum Krieg, aber er ließ sich nicht mit den anderen vergleichen, die die Menschen seit der Zeit des Aufbruchs geführt hatten, zum Beispiel gegen die Aievo aus der Canis-Major-Zwerggalaxie, die vor dreitausend Jahren plötzlich aus einem Kickout der Krion kamen, nicht weit von der alten Erde entfernt, die damals noch dicht besiedelt war. Oder gegen die Tia aus dem Orion-Arm.« Bei diesen Worten erinnerte sich Rahil an die Barrieresterne und den blauweißen Riesen, wo sein Vater auf den Ascar gewartet hatte. »Es war ein Krieg Menschen gegen Menschen, wie so oft vor der Zeit des Aufbruchs, und alles deutete auf einen Sieg der Diaspora hin. Die Humax bauten noch mehr Uteri, und die produzierten jeden Tag Tausende von Kriegern. Sie brauchten viel Energie für ihre Brüter und die gewaltigen Werften, in denen Schlachtschiffe und Kampfdrohnen entstanden, und auch darauf schienen sie vorbereitet zu sein, denn sie zapften nicht nur Sonnen an, sondern den Raum selbst, seine Vakuumenergie.«
»Davon habe ich gehört«, warf Sammaccan ein. »Die Stimmen im Schulungszentrum des Habitats haben darüber berichtet. Vakuumenergie, wie seltsam. Wie kann das Leere etwas enthalten? Dann ist es doch nicht mehr leer! Man nennt sie auch Dunkle Energie, nicht wahr?«
»Ja und nein«, erwiderte Rahil und hielt nach seinem Vater Ausschau. Nichts rührte sich zwischen den Gebäuden. »Die Vakuumenergie und die Dunkle Energie sind miteinander verwandt. Wir vermuten, dass die Poleis der Hohen Mächte, ihre Sternenstädte, Vakuumenergie und Dunkle Energie für die Fort bewegung verwenden. Den Neuen Menschen muss es damals gelungen sein, eine vergleichbare
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