Artefakt
Grund nach Heraklon. Es handelt sich um primäre Technik, und das bedeutet: Es steht in Zusammenhang mit den Hohen Mächten.«
»Glauben Sie vielleicht, wir hätten es nach Heraklon geschickt?«, fragte der kleine, bucklige Leskovar, und die Umrisse seiner Gestalt verschwammen kurz. Für einige Sekunden sah Rahil tausend andere Geschöpfe in einem vereint, Bilder, die sich gegenseitig überlagerten, wie die einzelnen, miteinander verbundenen Individuen einer fraktalen Existenz.
»Wir haben keinen Zugriff auf primäre Technik dieser Art«, sagte Rahil und vernahm dabei ein seltsames mentales Echo – eine andere Stimme, leise, weit im Hintergrund, schien seine Worte zu wiederholen. »Wer auch immer das Artefakt nach Heraklon geschickt hat: Offenbar stehen ihm die technischen Möglichkeiten der Hohen Mächte zur Verfügung. Wir wissen inzwischen, dass das Objekt aus der Zukunft kommt. Es heißt, Sie existieren in allen Zeiten. Sie müssten also wissen, wer hinter dem Artefakt steckt.«
»Rahil …«, mahnte Duxbery.
»Entweder wissen Sie es, oder Ihre Macht ist nicht so groß, wie es den Anschein hat.«
Stille folgte diesen Worten, ein Schweigen, das den gleichen Ernst zum Ausdruck brachte wie die steinernen Mienen der großen Statuen.
Der Glanz in den Facettenaugen des Krion veränderte sich, und seine langen, dünnen Gliedmaßen knackten, als er sich vorbeugte. »Was erdreisten Sie sich?«, sang er. »Hier haben wir ein Volk, das vor sechshundert Jahren einen Weltenbrand verursachte, der die ganze Galaxie bedrohte und den es nur mit unserer Hilfe eindämmen konnte. Ein Volk, dessen Geschichte zum größten Teil aus Kriegen, Schlachten und Gemetzeln besteht. Ein Volk, das noch immer nicht weiß, was Verantwortung bedeutet. Man fragt sich, was so viel dumme Vermessenheit mit dem Wissen der Kosmischen Enzyklopädie anrichten würde. Man fragt sich …«
»Wenn Sie sich das fragen, so habe ich eine Antwort für Sie. Mit dem Wissen der Kosmischen Enzyklopädie könnten wir vermutlich feststellen, woher das Artefakt kommt und von wem. Und wir wären imstande, es von Heraklon zu entfernen und damit die Gefahr von dem Planeten abzuwenden.«
»Mir scheint, die Gefahr betrifft nicht nur den Planeten«, sagte der Gesserat.
Auf dem Rücken des Krion knisterten rudimentäre Flügel. »Sie wagen es, mich zu unterbrechen?«, zirpte er, und seine Worte galten Rahil.
»Ich bitte Sie, ich bitte Sie, Exzellenzen.« Duxbery hob beide Hände, die ebenso faltig und runzlig waren wie das Gesicht des Greises. »Es mangelt uns gewiss nicht an Demut Ihnen gegen über, und ich möchte versichern, dass wir außerordentlich dank bar sind für die Hilfe, die Sie vor sechs Jahrhunderten geleistet haben. Mit der gleichen Offenheit gestehe ich, dass wir noch einmal Ihre Hilfe brauchen, denn ich fürchte, Seine Exzellenz Jar Enhelian Gavira Enei Cropcor’al’Tentero az Halgewi hat recht. Die Gefahr betrifft nicht nur Heraklon, sondern geht weit darüber hinaus.«
Der Name des Gesserat berührte etwas in Rahil, eine Erinnerung, die nicht die Vergangenheit betraf, sondern ein in der Zukunft liegendes Ereignis, und Rahil fragte sich, ob er eine Bewusstseinsspaltung erlebte. Er beschloss, Lynton Hongeva Ayyad bei ihrer nächsten Zusammenkunft darauf anzusprechen. Vielleicht konnte der Psychomechaniker, der sein altes Trauma behandelte, dieses Rätsel lösen.
Der Krion lehnte sich wieder zurück. »Es ist die übliche Gefahr, die von der unreifen menschlichen Natur ausgeht: Habgier, Machthunger, Rücksichtslosigkeit. Menschen zerstören und töten, um ihre lächerlich banalen Ziele zu erreichen.«
»Wir haben versucht, alles geheim zu halten«, sagte Duxbery, und Rahil hörte, dass er sich um einen ruhigen, würdevollen Ton bemühte. Doch mithilfe der Femtomaschinen nahm er auch die Untertöne in der Stimme des Greises wahr, und die kündeten von wachsender Besorgnis. »Aber ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass früher oder später die Gefallenen Welten von dem Artefakt erfahren. Eine Superschmiede, mit der sich alles herstellen lässt … Für gewisse Kreise könnte die Versuchung zu groß sein.«
»Sie befürchten Krieg«, sagte der Leskovar.
»Und ein Krieg würde bedeuten, dass die Menschheit die Prüfung nicht bestanden hat«, fügte der Gesserat hinzu und sah erneut Rahil an, als wollte er ihm mehr mitteilen, als in den Worten allein zum Ausdruck kam.
»Wie der Missionar Tennerit bereits betont hat: Das Artefakt auf
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