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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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mehr, als es für Sie den Anschein hat. Lüge und Wahrheit sind noch schwerer zu unterscheiden als sonst.« Der Gesserat zögerte, und Rahil fragte sich, ob er nach Worten suchte. »Wenn Sie in Schwierigkeiten geraten, Rahil Tennerit … Wenden Sie sich an den Verwahrer Äguizabel in Lautaret.«
    »In Lautaret? Bei den Vogelmenschen?«
    »Ja. Er verdient Ihr Vertrauen.«
    »Das ist alles?«, fragte Rahil, als der Gesserat schwieg. »Mehr können Sie mir nicht sagen?«
    »Die Krion würden behaupten, dass ich Ihnen schon zu viel gesagt habe«, erwiderte der Gesserat. »Aber die Krion sind … Nun, lassen wir das. Ich wünsche Ihnen viel Glück, Rahil Tennerit.«
    »Warten Sie! Ich …«
    Mit einem leisen Fauchen strömte Luft in die Leere, wo eben noch der Gesserat gestanden hatte, und wenige Sekunden später verkündete die Maint des Shifters:
    »Wir haben Heraklon erreicht. Der Pluszeit-Transit hat einen Monat reale Zeit in Anspruch genommen.«

Hier spricht die Zeit
Und flüstert von Ewigkeit.
    (Sechs Monate zuvor)
    Munraha
    46
    »Wir haben Sie eher erwartet«, sagte Jerom Ellworth, Botschafter der Ägide in Couron, der Hauptstadt von Munraha.
    »Die Hohen Mächte haben uns einen Monat gestohlen«, erwiderte Rahil.
    »Gestohlen?«
    Der Botschafter war ein würdevoll wirkender alter Mann, der hinter dem wuchtigen Schreibtisch aus massivem Holz klein und fragil wirkte und trotz der Hitze eine Jacke mit hohem Kragen trug, daran die Embleme der Ägide. Mit den Femtomaschinen und der Rüstung, die sich vor einigen Stunden Körper und Stoffwechsel angepasst hatte, stellten die hohen Temperaturen kein Problem für Rahil dar, aber die neben ihm sitzende Thresa, noch nicht mit einer Rüstung ausgestattet, litt ganz offensichtlich, obwohl sie nur wenige Stoffstreifen trug. Rahil versuchte sich daran zu erinnern, ob Magda und Magdalena ebenfalls so empfindlich auf Hitze reagiert hatten.
    Hinter dem Botschafter stand das breite Fenster offen, und die Sonne brannte herein. Eine leichte Brise brachte keine Erleichterung, sondern trug kochende Luft ins Zimmer. Für Ellworth schien es noch nicht warm genug zu sein, denn er zog den Kragen seiner Jacke höher, als der hereinwehende Wind etwas stärker wurde.
    »Wir haben uns mit ihren Repräsentanten getroffen«, sagte Rahil. »An einem besonderen Ort. Die Rückkehr durch ein Kickout kostete uns einen Monat Pluszeit.«
    »Ich verstehe«, sagte Ellworth, und vielleicht verstand er wirklich, was Rahil meinte. Er wirkte kompetent: ein Mann, alt und erfahren genug, um verborgene Bedeutungen hinter Worten und Gesten zu erkennen. »Ich nehme an, wir können nicht mit ihrer Hilfe rechnen.«
    Das Treffen mit den Legaten der Hohen Mächte war von der Ägide als geheim klassifiziert worden, und sowohl Duxbery als auch Cuaresma hatten Rahil ausdrücklich aufgefordert, nichts verlauten zu lassen. Trotzdem antwortete er: »Nein, das können wir nicht. Wie ist die Lage im Norden, Botschafter? Was erwartet uns dort?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Ellworth. »Die Kommunikationsverbindungen sind seit zwei Wochen unterbrochen.«
    »Was ist mit unseren Satelliten?«
    »Sie liefern keine Daten mehr, Missionar Tennerit. Das arktische Tal, in dem sich das Artefakt befindet, absorbiert alle elektromagnetischen Signale. Unsere Augen im All können nicht mehr beobachten, was dort geschieht. Einige von dort zurückkehrende Einheimische berichten von › verschwundenem Land ‹ .«
    »Es könnte bedeuten, dass die aktiv gewordene Superschmiede damit begonnen hat, die Materie in ihrer Umgebung als Basismasse zu verwenden«, sagte Thresa mit quietschender Stimme. Sie hielt einen Stoffstreifen in der Hand und wischte sich damit Schweiß von der Stirn.
    Rahil erinnerte sich daran, es gefühlt zu haben: das Erwachen und den Hunger des Objekts.
    »Sie glauben, das Artefakt produziert etwas?«, fragte Ellworth und brachte es auf den Punkt. »Was?«
    »Das kann ich nur feststellen, wenn ich mir Zugang verschafft habe.«
    »Das dürfte alles andere als leicht sein«, entgegnete der Botschafter. »Wie ich hörte, kann sich niemand mehr dem Artefakt nähern.«
    »Zum Glück ist die betreffende Region dünn besiedelt«, sagte Rahil. »Ich schlage vor, sie umgehend zu evakuieren.«
    »Ich habe entsprechende Maßnahmen eingeleitet, soweit es unser Personal betrifft. Und gestern bin ich bei der Ersten Mutter vorstellig worden und habe ihr nahegelegt, die Siedlungen im äußersten Norden von Munraha zu räumen.

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